Wie geht es 2015 weiter mit der Energiewende?

Billig-Sprit schadet USA, Saudi-Arabien und Russland – aber auch der Umwelt

Der niedrige Ölpreis freut Unternehmen und Konsumenten, doch für den Schutz der Umwelt ist er fatal. Laut einer Studie lassen die niedrigen Sprit-Preise die Nachfrage nach Geländewagen (SUV) steigen und verlangsamen den Trend sinkender CO2-Emissionen bei Autos in Deutschland. Gleichzeitig sinkt das Interesse an Autos mit alternativen Antrieben. Beides ist schädlich für die Umwelt. Ein Gastbeitrag von Matthias Ruchser.

Trend fallender Rohölpreise setzt sich fort

Zu Beginn des neuen Jahres hält der Trend fallender Rohöl-, Sprit- und Gaspreise weiter an. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) Rohöl der Nordseesorte Brent sank zuletzt bis auf unter 47 USD. Wer nun glaubt, die fallenden Ölpreise sind nur ein Resultat des Überangebots in Kombination mit mangelnder Nachfrage, der irrt. Der Hauptgrund ist das strategische Vorgehen der Vereinigten Staaten und seines engsten arabischen Verbündeten Saudi-Arabien. Ihr gemeinsames Ziel ist die Schwächung unliebsamer Konkurrenten, namentlich von Russland im Fall der USA sowie des Irans durch Saudi-Arabien. Die Staatshaushalte dieser Länder sind massiv von ihren Öl- und Gaseinnahmen abhängig und die fallenden Rohstoffpreise bedeuten dramatische Mindereinnahmen. Vor allem Russland ist doppelt belastet, denn nach der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim verhängte der Westen Wirtschaftssanktionen gegen das Putin-Regime.

Fracking-Öl zu teuer

Mittel- bis langfristig werden jedoch auch Saudi-Arabien und die USA wirtschaftlichen Schaden nehmen. So benötigt Saudi-Arabien einen durchschnittlichen Rohölpreis von 85 USD pro Barrel um Geld zu verdienen. Noch härter wird es die USA treffen, denn der durch Fracking hervorgerufene Ölboom ist teuer und die Förderung lohnt sich nur bei hohen Rohölpreisen. Eine der spannenden energiewirtschaftlichen Fragen wird 2015 also sein, wem zuerst die Luft ausgeht: Russland mit seiner drohenden Staatspleite oder den USA mit unrentablen Fracking-Vorhaben? Davon wird abhängen, wann die Ölpreise wieder steigen. Dass sie wieder steigen werden, ist sicher.

Deutschlands wichtigster Lieferant fossiler Energien: Russland

Bis dahin freuen sich die Unternehmen und Konsumenten über billige fossile Energien. Nicht jedoch die Umwelt, denn der Preisverfall führt zu einem höheren Energieverbrauch und zu höheren Treibhausgasemissionen. Die mahnenden Stimmen vor einer Energieimportabhängigkeit von Russland in Folge der Ukraine-Russland-Krise sind mit den fallenden Rohölpreisen verstummt. Doch an der Situation hat sich nichts verändert. Deutschlands wichtigster Lieferant fossiler Energien ist und bleibt Russland. Die Lektion, die die Politik aus dieser Abhängigkeit lernen sollte, lautet also nicht, die Bezugsquellen fossiler Primärenergieträgern zu diversifizieren, indem man sich in neue Abhängigkeiten von nicht minder autokratischen Ländern wie Iran, Katar, Oman und den Vereinigten Arabischen Emiraten oder der Kaukasus-Region begibt.

Energiewende nicht nur „Stromwende“

Der bisherige Fokus der Energiewende auf die „Stromwende“ und die Begrenzung der Strompreise ist zu kurz gedacht. Die Hälfte des Endenergieverbrauchs in Deutschland entfällt ausschließlich auf Raumwärme. Während im Stromsektor die erneuerbaren Energien im Jahr 2014 mit fast 26 % erstmals der wichtigste Energieträger bei der Bruttostromerzeugung waren, sind Raumwärme, industrielle Prozesswärme und Verkehr weiterhin von fossilen Energieträgern geprägt.

Wärme- und Transportsektor muss in den Fokus der Energiewende rücken

Neben dem Ausbau der Übertragungsnetze gibt es 2015 zwei wichtige energiepolitische Herausforderungen. Der Wärme- und Transportsektor muss in den Fokus der Energiewende rücken um ungenutzte Potenziale für die Steigerung der Energieeffizienz und den Ausbau der erneuerbaren Energien zu aktivieren und die Energiewende insgesamt muss beschleunigt werden. Mit der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hat die Bundesregierung der „Stromwende“ 2014 jedoch mit den Ausbaukorridoren einen Bärendienst erwiesen, denn in der Vergangenheit war der Zubau der erneuerbaren Energien im Stromsektor immer höher als die vorhergesehenen Mengenziele.

Strompreisdiskussion verliert an Bedeutung

Dominierten 2014 in der öffentlichen Auseinandersetzung noch Fragen wie, „Sind die Energiepreise zu hoch?“ – sie sind es nicht – und „Ist die Energiewende bezahlbar?“ – sie ist es, werden diese Fragen 2015 keine große Rolle mehr spielen. Vor allem die Gegner der Energiewende hatten sie thematisiert. Doch spätestens als RWE im März 2014 bekannt geben musste, dass im Jahr 2013 erstmals in der Unternehmensgeschichte ein Nettoverlust von 2,8 Milliarden Euro zu verbuchen war, ist auch dem letzten konventionell geprägten Energiewirtschaftler klar geworden, dass das bisherige Geschäftsmodell der vier großen deutschen Energieversorger – E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall – nicht mehr funktioniert. Dies hat auch E.ON-Chef Johannes Teyssen erkannt und überraschte Politik und Aktionäre im November 2014 mit der Nachricht, sich zukünftig auf erneuerbare Energien, Energienetze und Kundenlösungen zu konzentrieren. Ausgerechnet Teyssen, einer der vehementesten Apologeten der fossilen und nuklearen Energiewirtschaft. Doch die Unternehmenszahlen und Bilanzen lügen nicht. Deshalb wird es im Jahr 2015 spannend zu beobachten sein, welches der vier großen EVU sein Geschäftsmodell am schnellsten und erfolgreichsten auf die Energiewende ausrichten wird.

Universelle Nachhaltigkeitsziele werden für alle Länder gelten

Auch auf der internationalen Bühne wird die globale Energiewende in diesem Jahr eine Rolle spielen: bei der Ausgestaltung eines neuen UN-Klimaschutzabkommens sowie bei der Formulierung einer Post-2015-Agenda mit universellen Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals – SDGs). Die von der UN eingesetzte Open Working Group hat in ihrem Abschlussbericht ein spezifisches Ziel für den Energiebereich vorgeschlagen, das lautet: Zugang zu erschwinglicher, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle gewährleisten. Noch haben Politik und Wirtschaft nicht verstanden, dass universelle Nachhaltigkeitsziele für alle Länder gelten werden, nicht nur für Entwicklungs- und Schwellenländer. Zwar ist Deutschland mit der Energiewende, seiner Nachhaltigkeitsstrategie und der Zukunftscharta bereits gut positioniert, doch weitere Anstrengungen sind notwendig.

Matthias Ruchser leitet die Stabsstelle Kommunikation des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE).
->Quelle: Erstveröffentlichung als „Die aktuelle Kolumne“ (auf der Seite des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik)