Enttäuschung über Lima-Klima-Kompromisslein

BUND/Oxfam/WWF: Vereinbarung „auf kleinstem gemeinsamen Nenner“ entspricht nicht Herausforderungen beim Klimaschutz

“Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen: Den Vorhang zu und alle Fragen offen” – Bertolt Brechts berühmtes Zitat aus „Der gute Mensch von Sezuan“ beschreibt treffend den Minimalkompromiss von Lima: 195 Staaten verständigten sich zwar nach zähem Ringen und mehrfach verlängerten Verhandlungen auf Eckpunkte eines Rahmenentwurfs des Kyoto-Nachfolge-Abkommens, das Ende 2015 in Paris unter Dach und Fach gebracht werden soll. Doch die Begeisterung hält sich in engen Grenzen.

„COP20 cierra en Lima exitosamente con un borrador de acuerdo y avances concretos“ (COP20 – conference of parties – endet erfolgreich mit einem Vertrags-Entwurf und konkreten Fortschritten) titelte das offizielle Internetportal der Klimakonferenz. Und weiter: „La COP20-CMP10, cerró con éxito el día de hoy antes de las dos de la madrugada, con una decisión y un documento de Lima que le da fortaleza al proceso en su camino a París. Ello fortaleció logros que se habían venido obteniendo durante toda la semana del segmento de alto nivel.“ (Die COP20-CMP10, wurde heute gegen zwei Uhr morgens erfolgreich abgeschlossen, mit einer Entscheidung und einem Dokument von Lima, das den Prozess auf dem Weg nach Paris stärkt. Dies bestärkt die Erfolge, welche das High-Level-Segment die ganze Woche über erreicht hat.)

Schlusssitzung COP20 – Foto © cop20lima.org/mediacentre_climate-summit-2014

Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: In Paris soll in einem Jahr das neue globale Klimaabkommen unterzeichnet werden. Dazu sollten alle Länder melden, wie stark sie ihre Treibhausgas-Emissionen mittelfristig reduzieren. Doch das dringend benötigte einheitliche Reportingformat wurde auch in Lima nicht festgelegt. Eine Vergleichbarkeit in den Beiträgen ist deshalb nicht möglich. In Paris soll in einem Jahr das neue globale Klimaabkommen unterzeichnet werden. Dazu sollten alle Länder melden, wie stark sie ihre Treibhausgas-Emissionen mittelfristig reduzieren. Doch das dringend benötigte einheitliche Reportingformat wurde in Lima nicht festgelegt. Eine Vergleichbarkeit in den Beiträgen ist deshalb nicht möglich.

Oxfam: „Bunruhigend schwach“

Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig nannte die „gefassten Beschlüsse beunruhigend schwach“, Sabine Minninger von Brot für die Welt kritisierte sie als „Minimalkonsens, der den dringenden Erfordernissen angesichts des voranschreitenden Klimawandels nicht entspricht“. Der WWF kritisierte, die Regierungen seien dabei gescheitert, klare Pläne für Emissionsreduzierungen vor 2020 zu vereinbaren: „Es gibt keinen Grund die Sektkorken knallen zu lassen. Leider schreitet der Kimawandel viel schneller voran als die Politik. Die Verhandlungen der letzten Tage haben gezeigt, wie groß die Differenzen zwischen vielen Ländern noch sind und dass der Weg nach Paris sehr steinig sein wird,“ sagte Regine Günther, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik des WWF Deutschland. Der Vertrag soll erst ab 2020 gelten – daher sind zusätzliche Anstrengungen bis 2020 nötig, denn seit Jahren gibt es neue Emissionsrekorde.

Foto © cop20/lima.org/media-centre_climate-summit-2014

Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth, der deutsche Verhandlungsführer, zeigte sich dennoch erleichtert: „Ich bin nicht enttäuscht. Ich bin erschöpft“, sagte er. „Wir haben nun ein Ergebnis, das alle Möglichkeiten eröffnet, zu einem ambitionierten Klimavertrag zu kommen.“

„Herbe Enttäuschung

Für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sind die Ergebnisse des Klimagipfels in Lima eine herbe Enttäuschung. Verantwortlich für das unbefriedigende Resultat sei der fehlende politische Wille vieler Staaten zum Handeln.

Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Weg zu einem neuen globalen Klimaschutzabkommen vereitelt. Lima brachte die Welt auf dem Weg in eine Energiewirtschaft ohne Kohleverstromung, Öl, Atomkraft und Gas nicht einen Schritt weiter“, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger zum Ende der 20. UN-Klimakonferenz. Auch für den Zeitraum bis 2020 seien keinerlei Verpflichtungen zur Verringerung der CO2-Emissionen eingegangen worden.

„Mit dem Argument, wir warten erstmal ab, was die anderen tun, haben die Regierungen es sich in der Hängematte bequem gemacht“, sagte Weiger. Der BUND-Vorsitzende warnte davor, dass die nationalen Klimaschutzpläne, die bis März 2015 auf den Tisch der UN gelegt werden sollen, nicht ausreichen würden, um die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten. „Weder die USA, noch China, noch die meisten anderen Staaten befinden sich derzeit auf dem Weg in eine klimafreundliche Zukunft. Die Staatengemeinschaft hat sich in Lima auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigt, mehr nicht. Lima setzt ein falsches Signal: Alle können die Atmosphäre ungestört weiter aufheizen“, sagte der BUND-Vorsitzende.

Die Zeit des politischen Feilschens müsse endlich vorbei sein. Viele Menschen rechneten nicht mehr mit substantiellen Ergebnissen bei den UN-Klimaverhandlungen. Hoffnung speise sich inzwischen weniger aus Erwartungen an die Politik, sondern zunehmend aus dem Engagement hunderttausender Bürger überall auf der Welt, die sich für den schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien und den Abschied vom fossilen Zeitalter einsetzten, sagte Weiger. „Nur wenn die Regierungen sich zu mehr Klimaschutz verpflichten und erkennen lassen, dass sie den Abschied von fossilen Energien einleiten, kann im kommenden Jahr in Paris ein internationales Abkommen verabschiedet werden, das die Erderwärmung tatsächlich unter zwei Grad hält“, sagte der BUND-Vorsitzende.

Offizielle Erklärung des BMUB:
„Klimagipfel in Lima ebnet Weg für umfassendes Klimaschutz-Abkommen“

Barbara Hendricks – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

„Der UN-Klimagipfel in Lima hat mit seinem Beschluss die Grundlage für die Verhandlungen über den neuen weltweiten Klimavertrag gelegt, der in einem Jahr in Paris verabschiedet werden soll“, teilte des BMUB in einer Mail-Presseaussendung mit. „Der Weg ist jetzt frei für die Schaffung des ersten Abkommens, das alle Staaten in die Klimaschutzanstrengungen einbindet“, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. „Der Gipfel von Lima eröffnet alle Möglichkeiten für ambitionierten, weltweiten Klimaschutz.“

Manuel Pulgar Vidal, Umweltminister Peru – Foto © cop20.pe

COP20/CMP10, Lima, Schlussplenum – © Foto © cop20/lima.org/media-centre_climate-summit-2014

Das Schlussdokument, das in der Nacht zum 14.12.2014 unter großem Einsatz des peruanischen Umweltministers Manuel Pulgar Vidal verabschiedet wurde, enthält erste Grundzüge eines neuen Klimaschutzabkommens. Es soll Ende 2015 in Paris beschlossen werden und 2020 in Kraft treten. Bis Mai 2015 soll ein kompletter Entwurf vorliegen, so der Beschluss von Lima. Das neue Abkommen würde erstmals alle Staaten umfassen. Dem bisherigen Abkommen, dem Kyoto-Protokoll, folgten zuletzt weniger als 40 Staaten, die weniger als 15 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen ausmachen. Große Emittenten wie USA, China, Kanada, Japan und Russland fallen nicht unter das Kyoto-Protokoll.

Alle Staaten sollen eigene Klimaschutzbeiträge vorlegen

Die Entscheidung der Klimakonferenz in Lima sieht vor, dass alle Staaten eigene Klimaschutzbeiträge vorlegen. Die Staaten, die dazu in der Lage sind, sollen bereits bis März 2015 angeben, wie stark sie ihre Treibhausgas-Emissionen mindern können. Diese Ziele sollen transparent, vergleichbar und überprüfbar sein. Zusätzlich können die Staaten freiwillige Angaben über Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel machen.

Bundesumweltministerin Hendricks: „Alle Staaten müssen jetzt ihre Hausaufgaben machen und ihre Klimaschutzbeiträge vorlegen, damit Paris ein Erfolg wird. Die starre Trennung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern ist nicht mehr zeitgemäß. Klimaschutz gelingt nur gemeinsam. Es braucht viel Geduld und Anstrengung, diesen alten Graben zuzuschütten. Aber wir haben in Lima gesehen, dass etwas in Bewegung geraten ist. Entwicklungsländer wie Peru, Kolumbien oder Indonesien haben in den Grünen Klimafonds eingezahlt. Und bei den Klimaschutzbeiträgen sind jetzt alle Staaten gefragt.“

Ungeklärt: Aufteilung der Staaten und Rechtsform des neuen Abkommens

COP20/CMP10, Lima, Schlussplenum – © Foto © cop20/lima.org/media-centre_climate-summit-2014

Strittig war bis zum Schluss, nach welcher Aufteilung sich die Staaten zukünftig am Klimaschutz beteiligen. Im bisherigen Klimaabkommen, dem Kyoto-Protokoll, wurde lediglich zwischen Entwicklungs- und Industrieländern unterschieden. Die EU setzte sich wie viele andere Industriestaaten hingegen dafür ein, dass die Staaten ihr Engagement künftig stärker nach ihren individuellen wirtschaftlichen Möglichkeiten ausrichten. Auch die Frage der Rechtsform des neuen Abkommens blieb in Lima offen.

Erfolge brachte der Klimagipfel in Fragen der Klimafinanzierung. In den Grünen Klimafonds haben die Staaten über 10 Mrd. USD eingezahlt und damit die finanzielle Basis des Fonds geschaffen, der Entwicklungsländer beim Klimaschutz und bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützen soll. Deutschland hatte bereits im Sommer als erstes Land 750 Mio. Euro für den Fonds zugesagt.

Deutschland sagte zusätzlichen Beitrag von 50 Mio. Euro für UN-Anpassungs-Fonds zu

Darüber hinaus hat Deutschland während der Konferenz in Lima einen zusätzlichen Beitrag von 50 Mio. Euro für einen anderen UN-Fonds zugesagt, der die Anpassung an den Klimawandel unterstützt. Dieser Beitrag wurde in Lima vielfach gelobt und hat Vertrauen geschaffen, dass Entwicklungsländer tatsächlich die ihnen in Aussicht gestellte Unterstützung erhalten. Auch das parallel zur Klimakonferenz von der Bundesregierung verabschiedete Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 fand große Beachtung.

Hendricks: „Es war zu erwarten, dass zentrale Fragen des neuen Abkommens erst in Paris gelöst werden können. Der Weg dahin bedarf noch enormer Anstrengungen. Aber es war auch eine große Bereitschaft vieler Staaten zu erkennen, sich konstruktiv in die Verhandlungen einzubringen. Darauf wollen wir aufbauen und mit dem Petersberger Klimadialog im Mai 2015 die Verhandlungen in einer entscheidenden Phase voranbringen.“

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