Vattenfall stahl sich aus den Atomkulissen

Juristische Tricks lange vor der Stiftungs-Diskussion – Zusammenhang mit TTIP

Vattenfall-Logo im Hbf Berlin – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Viele Beobachter fragten sich, warum Vattenfall sich in der öffentlichen Auseinandersetzung um eine Atomstiftung, die von E.ON, RWE und EnBW angezettelt worden war, bedeckt hielt – jetzt weiß man es: Der schwedische Staatskonzern hatte sich bereits vorher der Haftung für seine deutschen Atommeiler durch einen juristischen Trick entzogen. Interessant ist der Vorgang vor allem vor dem Hintergrund der Klage Vattenfalls gegen die Bundesrepublik wegen des Atomausstiegs – und dem Zusammenhang mit der Debatte über das Handelsabkommen TTIP.

Wie das Handelsblatt meldete, gerät Vattenfall (wieder einmal) in die Kritik: Denn der Stockholmer Mutterkonzern hat sich durch eine Umstrukturierung inzwischen der Haftung entzogen. Und das geht so: Am 17.09.2012 war die deutsche Holding-Gesellschaft Vattenfall Europe AG auf die Vattenfall GmbH umfirmiert worden. Seit dieser Änderung haftet nur noch die deutsche Tochter für die Atomlasten. Vor der Umstrukturierung war dagegen auch die schwedische Mutter voll in der Haftung.

Vattenfall verklagte gleichzeitig die Bundesrepublik wg. Atomausstiegs

Vattenfall hat, wie Regierungskreise im Dezember 2012 bestätigten, die Bundesrepublik Deutschland wegen der Abschaltung seiner beiden Atommeiler Krümmel und Brunsbüttel verklagt. Allerdings nicht nur – wie RWE und E.ON – in einem transparenten, rechtsstaatlichen Verfahren vor einem deutschen Gericht, sondern auch vor dem International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) der Weltbank. Auf deren Webseite heißt es wiederholt: „The Tribunal issues Procedural Order No. X concerning the confidentiality of documents.“ Nichts dringt nach außen. Die Unterlagen sind so geheim, dass sie nur in der Geheimschutzstelle des Bundestags eingesehen werden können – und selbst das nur unvollkommen, wie Insider bestätigen. Dabei geht es um eine Klage, „die Deutschland 3,7 Milliarden Euro kosten könnte, und die die Kraft demokratischer Entscheidungen in Deutschland dauerhaft unterhöhlen könnte“, so die Frankfurter Rundschau in einem sehr lesenswerten Artikel aus dem März 2013.

„Investitionsschutz höhlt die demokratische Souveränität aus“ – Brisanz für TTIP

Die FR zitiert trotz Geheimhaltung aus dem Verfahren, in dem sich Vattenfall „hauptsächlich auf Nachteile gegenüber dem Atomausstiegsgesetz aus dem Jahr 2000“ stütze. „Der Konzern werde diskriminiert, weil er als einziger alle AKW habe abschalten müssen“, und Reststrommengen verfielen. Daher entstünden „die Kosten für die Stilllegung früher als geplant“. Und auch die Steuer auf Brennstäbe verstoße gegen den Vertrag von 2000. In der Klageschrift verweist Vattenfall laut FR darauf, „dass seine AKW sicher seien und es keinen objektiven neuen Grund durch die Fukushima-Katastrophe gegeben habe. Dies sollen Experten, der Bericht der Ethik-Kommission und der Verweis auf die europäischen Atomkraftwerk-Stresstests belegen.“ Fazit der FR: „Der Investitionsschutz höhlt auch die demokratische Souveränität aus“. Das Ganze erhält neue Brisanz vor dem Hintergrund der Diskusison um das transatlantische Handelsabkommen TTIP, das nach aktuellem Stand trotz intransparenter Verhandlungen solche Klagen geradezu befördern könnte.

Der Trick ist zwar juristisch nicht zu beanstanden (aber ethisch – vor allem im Licht der zufällig zeitlich fast parallelen Klage – schon) – doch die Politik muss er aufschrecken, hat sich doch einer der vier großen, zu Lasten der Steuerzahler aus der Verantwortung gestohlen. Denn wenn Stockholm seine deutsche Tochter pleite gehen lässt, wäre die Vattenfall-Mutter alle (deutschen) Nach-Sorgen los. Jetzt werden erneut Stimmen laut, die eine Stiftung, die so genannte „Atom-Bad-Bank“ doch für erwägenswert halten. Nur: Wo soll das (fest angelegte) Geld dafür herkommen? Und wenn es dann doch nur für einen Bruchteil der Altlasten reicht? Der Gipfel wäre allerdings, wenn die Vattenfall-Mutter die Klage gewänne und die Milliarden nach Stockholm überweisen ließe. Noch mehr aber muss der Fall die Regierung in Sachen TTIP aufschrecken.
->Quelle(n): handelsblatt.com; wikipedia.org; icsid.worldbank.org; fr-online.de