Ergänzung für Schwächen des E-Autos

Robert Schlögl: Emissionsfrei fahren mit synthetischen Kraftstoffen aus Carbon2Chem und CCU

Dass die E-Autos nicht die einfache und schnelle Lösung der Verkehrswende darstellen, spricht sich allmählich herum: Sie sind für ihre geringen Reichweiten zu teuer, brauchen zu lange zum Laden, die Batterien sind zu schwer, enthalten zu viele seltene Elemente und sind nicht recyclebar. Nachdem Verbrennungsmotoren wegen Klimaschutz, NOx und Feinstaub schon als Auslaufmodelle gelten, erhebt sich die Frage, wie wir uns denn dann fortbewegen sollen? Ober wie sollen schwere Lkw oder große Baumaschinen denn dann angetrieben werden? Darüber sprach die Agentur Zukunft mit Prof. Robert Schlögl, Direktor an zwei Max-Planck-Instituten – dem Berliner Fritz-Haber-Institut und dem für Chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr.

AZ: Ab 2040 wollen etliche Länder wie Frankreich und Großbritannien keine Verbrennungsmotoren mehr zulassen, auch bei uns wird über den Ausstieg aus dem Verbrenner diskutiert. Wie sinnvoll ist das?

Schlögl: Für Politiker mag eine solche Ziel-Jahreszahl sinnvoll sein (wie sie einem allerdings auch auf die Füße fallen kann, erleben wir eben beim Klimaziel für 2020). Sie hilft einem nachzuprüfen, ob man das Ziel erreicht oder nicht. Als Wissenschaftler würde ich jedoch deutlich vor einer solchen Festlegung warnen, und damit den Verbrennungsmotor insgesamt zu verteufeln. Der kann nämlich eigentlich gar nichts für die Situation, in die wir jetzt geraten sind.
Schon 2014 hat der Europäische Rat angeregt, den Straßenverkehr in den europäischen Emissionshandel aufzunehmen. Dies wäre ein sinnvoller Weg, den Verkehrsanteil des Treibhausgasausstoßes vergleichsweise kostengünstig zu senken. Bis heute ist der Vorschlag jedoch nicht umgesetzt. Stattdessen den Verbrennungsmotor zu verbieten, wäre kurzsichtig und nicht zielführend. Ein Verbot, bzw. Zulassungsstopp würde am Ziel vorbei schießen. Zwar würde sich in Ballungsgebieten die Luftqualität vor allem durch ein schnelles Aus für den Dieselmotor verbessern. Dem Klimaschutz wäre damit aber weniger gedient. Denn erst, wenn Elektroautos zu 100 Prozent mit Grünstrom laufen, ist eine solche Maßnahme sinnvoll – aber das wird sicher noch länger dauern als bis 2030 – bis dahin wird der Auspuff lediglich ins Kohlekraftwerk verlegt. Wir sollten also auch den Verbrennungsmotor weiterentwickeln – vor allem die Kraftstoffe. Wir sollten den Verbrennungsmotor nicht verbieten, sondern klimatauglich machen.

Woran liegt es, dass das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million E-Autos auf der Straße zu haben, momentan bei 34.000 (von ganzen 55 Millionen Autos in Deutschland) stecken geblieben ist?

Ich glaube, das hat drei Gründe. Der Eine ist der Preis, dann die geringe Reichweite, schließlich die lange Ladedauer. Dazu kommt dann noch die Schwierigkeit, dass wir uns nicht so gern von unserem geliebten Auto und all dem, was wir da hineindenken, verabschieden wollen. Es gibt eine psychologische Hemmschwelle, den Antrieb zu wechseln. Aus technischer Sicht muss hinterfragt werden, ob die Motivation, Elektroautos zu benutzen, um das Klima zu schützen, denn eigentlich eine valide Option ist.
Dennoch müssen wir stärker auf die Elektromobilität zugehen; wir müssen dafür sorgen, dass die Benutzungsfrequenz von Elektro-Autos besser wird, indem man nicht nur die Steuerung, sondern auch die Verfügbarkeit autonom macht. Aber die Batterien müssen besser werden; sie sind zwar verglichen herkömmlichen Blei-Batterien schon ungefähr sieben Mal besser – aber die Anforderungen, die wir an Automobil-Akkumulatoren stellen, erreichen bereits die Grenzen dessen, was chemisch möglich ist. Aber wenn man in eine neue Technologie einsteigt und gleich bis zur Grenze des technisch Möglichen geht, erlebt man möglicherweise einige Schwierigkeiten.

Wo liegen denn die chemischen Grenzen für Akkus? Warum kann man mit Lithiumionen-Akkus nicht mehrere hundert Kilometer weit fahren?

Ich glaube, das kann man schon. Das Tesla-Auto macht es vor, dass das geht. Sie können mit einem Tesla weit fahren. Ganz einfach: Wenn Sie eine Tonne Batterien einladen, geht das. Aber die spezifische Speicherkapazität von Batterien ist dadurch grundsätzlich begrenzt, dass man die Energie, die man transportieren will, in einen dreidimensionalen Stoff einspeichern muss. Und dieser dreidimensionale Stoff hat eine bestimmte Masse. Das ist unveränderbar.
Dazu kommt das Problem der Entzündlichkeit: einfach deswegen, weil in einer Batterie nicht nur zwei Elektroden sind, sondern auch noch ein Elektrolyt, das Material, das die Lithiumionen beweglich macht – eine organische Flüssigkeit, die sehr brennbar ist. Wenn in einer Batterie ein Kurzschluss passiert, beginnt der Elektrolyt zu brennen; dann entstehen Gase und die brechen die Umhüllung auf, dann kommt Luft dazu und Lithium brennt spontan an Luft. Diese Kettenreaktion chemischer Prozesse ist praktisch nicht aufzuhalten.
Was man dagegen vorher tun kann: Wenn man ein bisschen mehr Geld ausgibt, kann man an eine Batteriezelle einen kleinen Computer anbauen, der das ganze System sicher regelt. Das ist heute bei kleinen Handy-Akkus schon der Fall. Aber einige Hersteller haben sich gedacht, wir sparen da etwas ein und machen insbesondere die Umhüllung sehr leicht und billig. Und bei der Gelegenheit haben sie dann leider vergessen, dass das auch flammenschützend sein sollte. Genau das ist in den neuen Boeing 787 (dem Dreamliner) passiert. Ich bezweifle aber generell, dass es die richtige Methode ist, eine große Menge von Chemikalien auf die Straße zu setzen, um den Personentransfer abzuwickeln: 1.500 Kilogramm um eine Person zu transportieren – das ist nicht effektiv.

Welche anderen Akkumulatoren gäbe es denn?

Akkus muss man in vielen Dimensionen bewerten. Wenn wir uns fragen, aus welche Materialien machen wir Akkumulatoren, dann stellen wir fest, dass es sehr wohl andere Systeme gibt, die kein teures Lithium enthalten und kein giftiges Kobalt und die trotzdem funktionieren. Aber alle diese Systeme haben dann den Nachteil, dass ihre spezifische Speicherkapazität geringer wird. Es gibt auch den Lithium-Luft-Akku, der auf dem Papier eine sensationelle Speicherkapazität hat, die man aber nur sehr zum Teil ausnutzen kann, weil es chemische Nebenreaktionen gibt, welche die Wiederaufladbarkeit dieses Systems stark einschränken. Wenn man das wiederaufladbar machen will, dann wird die Speicherkapazität sehr schnell sehr viel geringer. Nein – die heutigen Lithiumionen-Akkus sind schon ziemlich gut. Eine denkbare Verbesserung läge darin, dass man am Elektrolytsystem und am Separator noch etwas tut, um auf diese Weise die Betriebssicherheit zu verbessern und die Speicherdichte zu erhöhen. Das wird ganz sicher kommen.

Unabhängig von den Akkus – der Strom muss erneuerbar sein – ist es aber erst zu einem Drittel – wie ändern?

Natürlich ist elektrisches Fahren nur dann sinnvoll, wenn wir in der Lage sind, zusätzlich erhebliche Mengen von erneuerbarer Elektrizität zu produzieren. Ich glaube, es ist nicht allen klar, dass wenn man aus einem fossilen Energieträger aussteigt, man dann entsprechend einen anderen Energieträger hochfahren muss. Wenn wir aber in der Politik jetzt die Meinung haben, wir reduzieren unsere Stromproduktion, um das Energiekonzept der Bundesregierung umzusetzen, und gleichzeitig machen wir noch Sektorenkopplung, und dann sollen wir mit der halben Strommenge die doppelte Leistung vollbringen, dann wird das garantiert nicht funktionieren.

Wenn nun das Elektroauto in naher Zukunft nicht das ideale Fortbewegungsmittel ist, was dann?

Die aktuell-kurzfristige Alternative wäre, den Verbrennungsmotor so zu gestalten, dass er das, was ihm heute gesetzlich vorgeschrieben ist, auch tatsächlich erreicht. Das ist zwar technologisch möglich, scheitert aber an Fragen, die nichts mit Wissenschaft zu tun haben. Wenn man aber ein bisschen weiter blickt, dann sollte man in der Lage sein, einen Kraftstoff zu benutzen, der etwas umweltfreundlicher in der Herstellung ist, als nur ein Loch in den Boden zu bohren und schwarzes Material herauszupumpen.
Oder man sollte Verfahren finden, bei denen die Abgasreinigung nicht so sehr das Problem ist, wenn etwa gar keine Abgase entstehen. Dazu nimmt man die Windkraft, erzeugt elektrischen Strom, benutzt diesen elektrischen Strom, um mittels Elektrolyse Wasserstoff herzustellen. Man nimmt den Wasserstoff und reagiert ihn mit CO2 z.B. aus der Stahlerzeugung, aus Zementwerken, oder auch aus noch notwendigen fossilen Kraftwerken und erzeugt auf diese Weise Moleküle, die man als Kraftstoff verwenden kann: Inzwischen gibt es schon synthetische Kraftstoffe und Kraftstoffkomponenten. Die meistversprechenden darunter sind Oxymethylenether. Diese Verbindungen aus Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff sind effizient und nahezu emissionsfrei. Ihr hoher Sauerstoffgehalt unterbindet die Schadstoffbildung bereits während der Verbrennung.

Warum wird das nicht schon lange gemacht?

Die Idee ist noch nicht so alt. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die Vorstellung, dass man den Motor auch deshalb weiterentwickeln kann, weil man einen anderen Kraftstoff benutzt, nicht Allgemeingut ist. Während an den Motoren nahezu alles technisch Mögliche optimiert wurde, gelten für Benzin und Diesel noch die Normen von vor 100 Jahren. Anders gesagt: Man hat den Motor über hundert Jahre weiter entwickelt, aber den Kraftstoff hat man einmal genormt, und wir fahren heute noch immer mit dem selben – im Wesentlichen – mit dem Daimler, Otto und Berta Benz herum gefahren sind. Dass das eine Variable ist, ist noch nicht allgemein bekannt. Man hat in den 40er Jahren – also im Zweiten Weltkrieg – synthetische Kraftstoffe benutzt, aber da ging es nicht um Emissionsminderung, sondern darum, das kriegsbedingt knappe Öl, Benzin und Diesel zu ersetzen.
Seit den 70er Jahren wissen wir nun zwar schon, dass man emissionsarme Kraftstoffe herstellen kann, aber das ist Literaturwissen, das bisher nicht sehr viele Anhänger gefunden hat. Erst jetzt, durch die Diskussion um die Emissionswerte und rechtsanwaltliche Methoden zur Verbesserung der Motoren, ist man auf die Idee gekommen, dieses alte Wissen wieder herauszuholen und zu sagen, wir könnten doch auch CCU machen, also Carbon Capture and Use, und bei der Gelegenheit auch emissionsfreies Fahren realisieren. Das ist eine relativ neue Idee (siehe solarify.eu/carbon2chem-von-ccs-zu-ccu und solarify.eu/die-mobilisierte-energiewende).

…die auf jeden Fall für den Schwerlastverkehr gebraucht werden dürfte…

Das wird auf jeden Fall ein Problem. Denn die Energiedichte von flüssigen Kraftstoffen ist um mehrere Größenordnungen höher, als die der besten Batterien. Wenn es also darauf ankommt, Leistung auf die Straße zu bringen, dann geht das mit rein elektrischen Antrieben nur begrenzt. Und nachdem ein signifikanter Anteil der CO2-Emissionen unserer Mobilität aus dem Transport stammt, müssen wir uns auch dringend um diesen Teil kümmern. Es geht nicht nur um die Leute, die frühmorgens zur Arbeit fahren.
Schwerlastwagen, Schiffe und Flugzeuge, aber auch Baumaschinen brauchen in jedem Fall weiterhin Verbrennungsmotoren. Hier wird es aber darauf ankommen, was man oben hinein tut und was hinten herausraus kommt. Neue Treibstoffe und Verfahren zur Abgasreinigung bieten genügend Möglichkeiten, um allen Anforderungen für Klimaschutz und saubere Luft weitestgehend gerecht zu werden. Also: Den Verbrennungsmotor nicht verbieten, sondern ihn klimatauglich machen! Keine Feindschaften zwischen Elektro- und Verbrennungsmotoren aufbauen, sondern ihre Stärken vernetzen – dies hilft der Einführung eines nachhaltigen Energiesystems mehr als international nicht umsetzbare Forderungen nach Abschaffung bewährter Technologien.

Wie sieht das ideale Auto also aus?

Üblicherweise die Kombination. Die gibt es eigentlich schon: Den sogenannten Plug-in-Hybriden. Man fährt elektrisch, mit einer kleinen Batterie, Reichweite bis zu 50 km – wenn das nicht ausreicht, springt ein sogenannter Fuel-Prozessor an, ein einem Motor nachgebautes Gerät, das mit den künstlichen Treibstoffen die Batterie nachlädt. Zu Hause wird dann der Akku mit regenerativem Strom wieder voll aufgeladen. Alle diese technologischen Komponenten sind vorhanden, es sind auch bereits solche Autos gebaut worden, aber es ist offenbar sehr schwer, die Verantwortlichen davon zu überzeugen, dass das eine gute Lösung ist. Weil es aber keine einfachen Lösungen gibt, wird es aber wohl immer ein Mix bleiben – eine Mischung aus klimafreundlichem Verbrenner, aus E-Mobilität, vielleicht auch Wasserstoff und Brennstoffzelle. Aber eines muss sich in jedem Fall ändern – und das tut es auch schon: Unser Verhältnis zur Mobilität. Nicht jeder muss ein Auto haben, das besser Standzeug als Fahrzeug heißen müsste, denn 95 Prozent der Zeit stehen unsere Fahrzeuge still in der Gegend herum – will heißen, dass Carsharing-Modelle Zukunft haben.

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