Die Automobilindustrie muss dringend umdenken

Elektroautos statt Diesel

mit freundlicher Genehmigung von Eicke Weber, ISE-Geschäftsführer a.D. und Leiter der Berkeley Education Alliance for Research in Singapore (BEARS)

Die Autoindustrie weigert sich bis heute, effektiv in Elektromobilität zu investieren, und schadet sich damit selbst. Wenn sich das Aus für Verbrennungsmotoren durchsetzt, ist sie auf dem globalen Markt nicht mehr konkurrenzfähig.

Tesla hat den Beginn der Massenproduktion des Modells 3 angekündigt: Am 28. Juli haben die ersten Kunden den Wagen in Empfang genommen. Innerhalb weniger Tage hatte Tesla mehr als 500.000 Bestellungen. Mehr als 300 Millionen Dollar, für diesen ersten Tesla, der für erschwingliche 30.000 Euro das spezifische Tesla-Elektro-Fahrvergnügen anbietet, mit neuester IT-Technologie, großen Displays, pfiffiger Elektro-Automobiltechnologie und einem Styling wie ein kleiner Bruder des Modell S, der in den USA den Markt der Luxus-Autos bereits vor der Mercedes-S-Klasse dominiert.

Die derzeitige Kaufprämie für Elektroautos ist eine Verschwendung von Steuergeldern

Frankreich kündigt an, spätestens ab 2040 keine Autos mit reinem Verbrennungsmotor mehr zuzulassen. Norwegen will dies bereits 2030 tun. Und was tun wir in Deutschland, um unsere Automobilindustrie dabei zu unterstützen, rasch die für die E-Mobilität erforderlichen Technologien in kostengünstigen Stückzahlen zu entwickeln? Wir bieten eine vollkommen ineffektive Kaufprämie an, mit der die Hersteller überteuerte Elektroautos ein bisschen weniger überteuert anbieten können – eine Verschwendung unserer Steuerzahlergelder!

Eine kürzliche Ankündigung des VW Konzerns zeigt deutlich, wie unsere Automobilindustrie zur Zeit die Zukunft sieht: VW plant neun Milliarden Euro in die Weiterentwicklung der E-Mobilität zu investieren, und dies ist zu begrüßen, will aber im selben Zeitraum zehn Milliarden in die Weiterentwicklung der Verbrennungsmotoren stecken! Dies zeigt deutlich dass die Konzernspitzen überhaupt noch nicht erkannt haben, wohin sich der Wind der Technologieentwicklung gedreht hat: Ja, die Autoindustrie hat in der Vergangenheit wirklich eindrucksvolle Leistungen vollbracht in der Aufgabe, Verbrennungsmotoren effektiver zu machen, und besonders die geringen Verbrauchswerte moderner Dieselmotoren waren faszinierend.

Der Betrug beim Schadstoffausstoß muss von flankierenden Maßnahmen aus der Politik abgesichert worden sein

Diesel-Auspuff – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Aber hier liegt auch die Erbsünde unserer Automobilindustrie: weil sich etwa im Jahr 2007 bei VW bereits zeigte, dass es großen Aufwand kostet und leistungsmindernd wirkt, die Dieselmotoren an die strengen Umweltauflagen in den USA, besonders in Kalifornien anzupassen, entschied sich die damalige Konzernspitze zu einem großangelegten Betrugsmanöver: Die Autos sollten niedrigen Schadstoffausstoß nur auf dem Prüfstand vorführen, aber diese Einstellung im Fahrbetrieb ändern. Diese ‚defeat devices’ – nomen est omen – trieben besonders die Belastung unserer Innenstädte auf ein Vielfaches der erwarteten Werte, mit den bekannten Effekten zum Beispiel in der Stuttgarter Innenstadt. Diese Entscheidung muss übrigens durch heute noch nicht aufgedeckte, flankierende Maßnahmen aus der Politik abgesichert worden sein: Die Prüfinstitute wie TÜV und DEKRA hatten ‚von oben’ strikte Weisung, keine Tests der Emissionswerte im realistischen Fahrbetrieb durchzuführen.

Die verantwortlichen Manager sollten wenigstens einen Teil ihrer Vergütung zurückgeben

„Wir brauchen Transparenz,…wir brauchen Euch“ – Appell an VW-Kraftwerk in Wolfsburg – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Diese wurden dann erst kürzlich von einer kleinen amerikanischen Forschungsgruppe durchgeführt, was zum – eigentlich doch voraussehbaren – Auffliegen dieses riesigen Betrugs führte, der die Glaubwürdigkeit deutscher Ingenieursleistungen weltweit erschüttert hat. Wie konnten nur die zuständigen Manager annehmen, dass das nicht früher oder später in unserer global vernetzten Wirtschaft herausgefunden wird? Es wäre wünschenswert, dass die verantwortlichen Manager durch Schadensersatzklagen wenigsten einen Teil ihrer riesigen Vergütungen und Prämien zurückgäben – dies ist aber leider bei uns unwahrscheinlich, obwohl sie ihrem Arbeitgeber und dessen Aktionären bewusst existenzgefährdend geschadet haben, vom Schaden für die Käufer dieser betrügerischen Diesel PKW ganz zu schweigen.

Heute wehrt sich die Automobilindustrie mit allen Mitteln dagegen, wirksame Maßnahmen zur Förderung des Absatzes von Elektromobilen in Deutschland einzuführen. Dazu zählen sowohl die Plug-in Hybride mit Elektro- und Verbrennungsmotor, wie auch die batteriebetriebenen Elektroautos und Wagen, die durch Wasserstoff mögliche Stromerzeugung an Bord nutzen, durch Brennstoffzellen.

Städte sollten die Möglichkeit haben, ihre Innenstädte nur noch emissionsfrei befahren zu lassen

Neben steuerlichen Unterstützungen, wie sie ironischerweise Dieselautos bis heute genießen, sehe ich besonders die Möglichkeit, Städten endlich zu erlauben, ihre Innenstädte ab einem Stichdatum nur noch emissionsfrei befahren zu lassen. Dies wäre bedeutend wirksamer als ein Diesel-Fahrverbot. Derartige Ankündigungen würden erst 2020 oder sogar erst 2025 wirksam werden, und auch Ausnahmen für Lieferverkehr zulassen, hätten aber einen sofortigen Effekt auf das Kaufverhalten der Bürger: Bei einem anstehenden Neuwagenkauf wird die Frage aufkommen, ob man vielleicht nicht auch in einigen Jahren mit diesem neuen Auto in die Innenstadt fahren möchte, dann empfiehlt es sich doch lieber, gleich ein Auto zu kaufen, das emissionsfrei fährt. Dies ermöglichte den deutschen Autofirmen ihre Verkäufe in diesem Sektor rasch in eine Größenordnung zu bringen, die auch international konkurrenzfähige Produktionsstückzahlen ermöglichte – gut für die weitere Bedienung des heimischen Marktes auch in 10, 20 Jahren, gut auch für lukrativen Export.

Deutsche E-Mobility-Flotte vor Berliner bcc – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Falls wir uns nicht dazu durchringen, durch effektive Maßnahmen rasch einen heimischen Markt in dieser Zukunftstechnologie zu schaffen, besteht die große Gefahr, dass wir von der internationalen Konkurrenz aus den USA und Asien abgehängt werden. Allein im chinesischen Markt der Elektromobilität spricht man von Millionen Stückzahlen – und was tun wir: Die Automobilindustrie drängt unsere Politiker, sich in China für eine Verwässerung der für 2018 angestrebten Quote von acht Prozent des Anteils von Elektroautos am Fahrzeugpool einer Marke einzusetzen, um noch ein wenig länger unsere geliebten, klimaschädlichen Verbrennungsmotoren in China verkaufen zu können! Vergessen wird, dass dies verhindern wird, dass auch deutsche Autofirmen E-Mobile in Stückzahlen herstellen, die erst die drastischen Kostensenkungen erlauben, wie wir sie bei der Photovoltaik-Industrie, jetzt auch bei der Batterie-Industrie, so deutlich beobachten konnten.

Die Autoindustrie sollte möglichst schnell Elektroautos in hoher Stückzahl produzieren

Dabei steht zu befürchten, dass es auch hier – wie beim Klimawandel – einen Tipping Point geben könnte: wenn durch die sich häufenden Ankündigungen des Endes der Verbrennungsmotoren – besonders aus dem Ausland – Kunden die Gefahr erkennen, dass ihr Neuwagen nach wenigen Jahren nur noch geringen Wiederverkaufswert haben wird, da die Zahl der Käufer von umweltschädlichen Autos rasch zurückgehen wird, werden sie schon heute vorausschauend darauf reagieren. So etwas deutet sich heute bereits im Absatz von Dieselfahrzeugen an. Dann könnte sich aber plötzlich zeigen, dass ausländische Modelle, deren kostengünstige Produktion von E-Mobilen bereits auf den dortigen großen Stückzahlen beruht, viel interessanter sein werden als die teuren Modelle unserer Automobilindustrie, die sich eben viel zu lange gegen diese Technologie sperrte, weil es in der Vergangenheit so bequem war, mit Verbrennungsantrieben gute Profite zu machen. Niemand kann voraussagen, wo dieser Tipping Point im Kundenverhalten liegen wird, wenn er zu früh kommt, könnte es für unsere Automobilindustrie schlecht aussehen!

Gegensatz – Tesla S, ladend vor Fossiltankstelle – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Ja, und dann sollten wir noch das Problem der Ladesäulen ansprechen, ein echtes Huhn-Ei Problem: da es nur wenige Ladesäulen gibt, ist der Absatz von Elektroautos schleppend, und weil es wenig Elektroautos gibt, wird unser Netzwerk an Ladesäulen nur langsam ausgebaut. Dagegen ist zu sagen: Wenn wir durch die Ankündigung emissionsfreier Innenstädte den Verkauf von Elektroautos in Deutschland wirksam fördern, werden auch rasch die nötigen Ladesäulen aufgestellt werden, dies wird ganz sicher kein unüberwindliches Hindernis sein. Mit steigenden Absatzzahlen für batteriebetriebene Elektroautos in Deutschland wird es auch rasch eine immer dichter werdende Infrastruktur von Ladesäulen geben. Dasselbe gilt übrigens auch für Wasserstofftankstellen: unser heutiges Netz von circa 20 Tankstellen ist noch sehr dünn, wird aber rasch mit dem Absatz von Brennstoffzellen-Fahrzeugen wachsen, so dass dann, wenn wir Wasserstoff kostengünstig aus dem Überschuss-Strom von Sonne und Wind herstellen werden, die erforderliche Infrastruktur bereit steht. Man kann übrigens heute bereits zwei kommerzielle Brennstoffzellen-Modelle in Deutschland kaufen: von Hyundai aus Korea und Toyota aus Japan – obwohl die deutsche Automobilindustrie Milliarden auch in diese Technologie investiert hat.

Das Fazit ist: Ohne rasch wachsenden heimischen Absatzmarkt wird es keinen Erfolg in der internationalen Konkurrenz geben können, und die Aussichten für unsere Automobilindustrie – Schlüsselindustrie der deutschen Wirtschaft – könnten beängstigend werden.

Dieser Kommentar von Eicke Weber erschien zum ersten Mal am 07.08.2017 in Tagesspiegel Causa.