Ökologische Modernisierung quer durch alle Branchen

Die grüne Art des Wirtschaftens

Mit 450 Gästen war der Kongress „Grüner Wirtschaften“ der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen sehr gut besucht. In diversen Werkstätten und Debatten wurde das Konzept Grüner Wirtschaften für mehr Lebensqualität diskutiert und auf einem Markt der Möglichkeiten anschaulich und greifbar fgemacht. Die grüne Bundestagsfraktion will „den Weg in die neue Wirtschaftsweise für alle verlässlich gestalten“. Dafür brauche es mutige Politik und engagierte Bürger, Ingenieure und Unternehmerinnen, welche die ökologische Modernisierung quer durch alle Branchen ins Ziel bringen. „Wir müssen, das machten sowohl unser Fraktionsvorsitzender Dr. Anton Hofreiter, wie auch die Keynote von Professor Rahmstorf sehr deutlich, das Tempo erhöhen, die Klimakrise wartet nicht“.

Bericht vom Kongress Grüner Wirtschaften

Der Klimawandel ist Realität: Wir haben die heißesten drei Jahre seit Beginn der Aufzeichnung hinter uns und eine Rekordschmelze der Arktis vor Augen. Zudem stellen Digitalisierung und Globalisierung Unternehmen und Gesellschaft vor ernorme Herausforderungen. Die Art, wie wir produzieren und konsumieren, muss sich ändern. Fraktionschef Anton Hofreiter skizzierte in seiner Eröffnungsrede die grünen Leitgedanken und Ziele der ökologisch-sozialen Transformation, die es nun voranzubringen gilt, denn die heutige Generation in politischer Verantwortung ist zwar die erste, die die Folgen des Klimawandels spürt, aber auch die letzte, die noch etwas daran ändern kann.

Seinem eindringlichen Plädoyer für Klimaschutz folgte die Keynote von Prof. Dr. Stefan Rahmstorf (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung), der die Ursachen und Folgen des Klimawandels unmissverständlich als menschengemacht identifizierte. Das Video der Keynote ist auf Youtube verfügbar.

In ihrem Streitgespräch „Angesichts Brexit und Trump“ ─ was kann grüne Wirtschaftspolitik?“ erörterten die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt und Prof. Michael Hüther (Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e. V.) die Potenziale einer ökologisch-sozialen Antwort auch auf diese aktuellen tagespolitischen Herausforderungen.

TED-Befragung: Umwelt- und Klimaschutz als Chance

Im Anschluss hatten die Gäste das Wort. Die TED-Befragung brachte Aufschlussreiches zutage: So schätzte nahezu die Hälfte der circa 450 Kongressteilnehmer Umwelt- und Klimaschutz als eine Chance für den Absatz ihrer Produkte und Dienstleistungen oder zumindest als einen interessanten neuen Markt ein. Immerhin 37 Prozent sahen den größten Hemmschuh einer Transformation darin, dass Umweltbelastung bisher keinen Preis hat. Gute Stichworte für die Werkstätten, in denen PolitikerInnen, PraktikerInnen und Gäste darüber debattierten, wie der ökologische-soziale Wandel in den verschiedenen Branchen umgesetzt und vorangebracht werden kann. Pünktlich zum Kongress hatte die grüne Bundestagsfraktion den Abschlussbericht der Arbeitsgruppe Transformation vorgestellt, die über zwei Jahre lang im Dialog mit Unternehmen, Gewerkschaften, der Wissenschaft und NGOs branchenspezifische Lösungen der ökologischen Transformation entwickelt hatte.

Die Werkstätten – „Kreuzung“, „Küche“, „Bank“, „Fabrik“, „Baustelle“

Die Zukunft der Mobilität wird nicht in Deutschland, sondern weltweit entschieden. Besonders China wird schneller aus dem fossilen Verbrennungsmotor aussteigen, als wir es uns heute vorstellen. Darauf muss die Industrie im eigenen Interesse reagieren. Das war die deutliche Botschaft aus der Werkstatt „Kreuzung“. Das Auto steht für ein Mobilitätsversprechen, es ist bequem und spontan nutzbar. Diese Vorteile muss der ÖPNV auch leisten. Die Nutzer entscheiden nach: Zeitbedarf, Kosten und Bequemlichkeit. Deshalb macht ein MobilPass Sinn, der deutschlandweit Planung und Buchung unkompliziert ermöglicht, so Stephan Kühn. Er ist Sprecher für Verkehrspolitik der grünen Fraktion. Die neue Berliner Wirtschaftssenatorin Ramona Pop plädierte dafür, dass sich Politik und Industrie beim Mobilitätswandel nicht länger gegenseitig die Verantwortung und damit auch die Kosten zum Beispiel für die Ladeinfrastruktur zuschieben, sondern an einem Strang ziehen.

Die Werkstatt „Küche“ wurde von Nicole Maisch moderiert. Sie ist Sprecherin für Verbraucherpolitik der grünen Bundestagsfraktion. Kontrovers diskutiert wurde, ob „Discount-Bio“ die Qualität und Innovationskraft der Bio-Vorreiter kaputtmacht oder ob wir genau diese Schritte in der Masse brauchen. Ob Pflanzenfleisch die Zukunft gehört, war eine weitere heftig umstrittene Frage. Weitgehend einig waren sich die TeilnehmerInnen, dass Preise die ökologische Wahrheit sagen müssen. Hier muss die Politik tätig werden, denn der Markt kann das nicht leisten.

Die zeitgleich in Baden-Baden tagenden G-20-Finanzminister waren bei der Werkstatt „Bank“ gefühlt mit im Raum. Das Problem, das zur Diskussion stand: Die G-20-Regulierung bevorteilt Großbanken, kleine, innovative Institute haben das Nachsehen. Kein Wunder also, dass der Marktanteil nachhaltiger Banken in Deutschland mit 0,4 Prozent verschwindend gering ist, obwohl – zumindest in diesem Werkstattgespräch – sich alle Anwesenden mehr nachhaltige Finanzangebote wünschen. Dabei war klar, dass man mit nachhaltigen Geldanlagen zwar Positives anstoßen, nicht aber Negatives verhindern könne. Das bleibe Aufgabe der Politik. Gerhard Schick ist Sprecher für Finanzpolitik der grünen Bundestagsfraktion. Er wies darauf hin, dass auch hier die Bundesregierung Öko erst von Peking lernen müsse – im konkreten Fall Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Denn es war China, das die nachhaltigen Finanzmärkte als Thema in die G20 eingeführt hat.

Ökologischere Produkte, die langlebig sind und energieeffizient, haben häufig einen vergleichsweise höheren Kaufpreis als herkömmliche Produkte. Das hält so manchen vom Kauf ab. Aus der Werkstatt „Fabrik“ kam daher die Empfehlung, auf eine Lebenszyklusbetrachtung umzusteigen, denn nachhaltige Produkte halten länger, der Kaufpreis ist nur ein Teil der Lebenszykluskosten. Mit unseren Gästen diskutierte hierüber die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Kerstin Andreae. Spannend war die betriebliche Perspektive auf die Effekte von Nachhaltigkeitsabteilungen, wie sie große Unternehmen oft eingerichtet haben. Ihnen wird wenig Kraft bei der Transformation zugetraut, weil sie keinen Zugriff auf die Produktion selbst haben. Das aberwäre zentral, um das Vertrauen derer zu gewinnen, die damit verfahren sollen. Wie komplex die Transformation gedacht und angegangen werden muss, zeigen die längst vorhandenen biologisch abbaubaren Kunststoffe. Ohne entsprechende Verfahren zur Müllentsorgung nutzen diese wenig. Die gesamte Kreislaufkette muss mitgedacht werden. Der Ansatz der grünen Bundestagsfraktion zur Regulierung sieht politische Ziele und Leitplanken vor. Konkrete Instrumente und Maßnahmen seien aber den AkteurInnen in der Wirtschaft zu überlassen. Dies fand breite Zustimmung, hielt Moderator Dieter Janecek fest. Er ist in der grünen Bundestagsfraktion Sprecher für Wirtschaftspolitik.

Hinter der Debatte in der Werkstatt „Baustelle“, die Chris Kühn, Sprecher für Baupolitik moderierte, steckte die ganz grundsätzliche Frage, ob ein ökologisches Verhalten auch einen Verzicht auf Lebensqualität bedeuten muss. Die gute Nachricht: Eindeutig nicht. Statt zu verzichten geht es darum, das einfache Leben gut zu machen, Bestehendes zu pflegen und besser zu nutzen, denn mit wenig können wir gut auskommen.

Die Debatten

Um das aktuelle Update des Jahreswohlstandsberichtes 2017 ging es bei der „Wohlstandsmessung im Wandel“, die Kerstin Andreae moderierte. Sie ist stellvertretende Vorsitzende der Grünen im Bundestag. Die Gutachter Prof. Dr. Hans Diefenbacher (Uni Heidelberg) und Roland Zieschank (FU Berlin) stellten ihre neuesten Ergebnisse vor. Ralf Fücks (Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung) bescheinigte dem Bericht, aus der Sackgasse der Wachstumsdiskussion herauszuführen. Und auch 56 Prozent der Menschen im Publikum sahen laut TED-Abstimmung den Wohlstandsbericht als eine sinnvolle Ergänzung der derzeitigen Wirtschaftsberichterstattung. Kai Gehring, Sprecher für Hochschul- und Forschungspolitik stellte fest, dass sich alle Indikatoren des Berichts in der Regierungszeit der schwarz-roten Koalition eingetrübt hätten. Auch hierüber konnten die Gäste per TED abstimmen. Für fast ein Drittel war Wohlstand vor allem Zeitwohlstand und immerhin 36 Prozent sahen materielle Sorglosigkeit als ein Hauptkriterium für Wohlstand an. Etwas Wasser in den Wein goss Prof. Michael Hüther, indem er daran erinnerte, dass der Versuch, das Bruttoinlandsprodukt durch ein Wohlstandsmaß zu ersetzen, trotz einer langen Debatte darüber bisher keinen Erfolg hatte.

Was kostet die ökologische Wahrheit?“ Diese Frage diskutierten Sabine Nallinger von der Initiative Stiftung 2°, Gottfried Härle von UnternehmensGrün, Lena Reuster vom Forum Ökologisch Soziale Marktwirtschaft (FÖS) und Lisa Paus, Sprecherin für Steuerpolitik der Bundestagsfraktion, intensiv auf dem Podium. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Oliver Krischer moderierte die Diskussion, bei der recht schnell die Herausforderungen und unterschiedlichen Sichtweisen auf dem Podium sichtbar wurden.

Zur Rolle der ökologischen Finanzreform als Treiber der Transformation wurde zum Beispiel angemerkt, dass es nicht die eine Wirtschaft, sondern eine Vielzahl von unterschiedlichen Branchen gebe und dass es bisher auch nur in sehr eingeschränktem Umfang überhaupt möglich sei, externe Umweltkosten vollständig zu beziffern. Auch was die beste Verwendung von Einnahmen aus Umweltsteuern angeht, gab es unterschiedliche Einschätzungen. Grundsätzlich einig war sich das Podium aber darin, dass die Fortentwicklung der ökologischen Steuerreform mit einer entsprechenden sozialen Flankierung ein zentraler Treiber der ökologischen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft ist. Dass klimaschädliche Emissionen von CO2 nach wie vor nichts kosten, wurde von allen Beteiligten grundsätzlich kritisch angemerkt. Hier ist ein erster Schritt zur Änderung dringend notwendig.

Eine ökologische Transformation kann nur gelingen, wenn sie sozial flankiert ist, darüber waren sich die TeilnehmerInnen an der Debatte „Soziale Transformation“ weitgehend einig. Moderiert wurde sie von Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für ArbeitnehmerInnenrechte. Konkret ging es um gute Löhne, gute Arbeitsbedingungen und wenn nötig auch um gesetzliche Maßnahmen, wie den Mindestlohn. Die Lebenssituation der Menschen muss sich verbessern, denn Umbrüche benötigen Vertrauen und Akzeptanz.

„Neue Antworten auf die Wachstumsfrage“ und ob sich Wohlstand auch ohne Wachstum gestalten lässt, darum ging es in dem von Gerhard Schick moderierten Panel. Er ist in der grünen Bundestagsfraktion Sprecher für Finanzpolitik. In der Auseinandersetzung, ob es nun mehr Effizienztechnologien oder mehr Suffizienz braucht, schlägt die grüne Bundestagsfraktion eine Verknüpfung von beidem vor, wie der wirtschaftspolitische Sprecher Dieter Janecek ausführte. Die Debatte kam zu dem Schluss, die grüne Bundestagsfraktion sei mit ihren neuen Antworten auf die Wachstumsfrage auf dem richtigen Weg, müsse diesen nun aber auch konsequent weiterverfolgen. © Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion

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