Unbewusst in die Katastrophe

Buch: „How soon is Now?“ – Ein Manifest gegen die Apokalypse

Stehen wir am Rande einer Megakrise? Der Philosoph und Futurist Daniel Pinchbeck setzt sich bereits seit Jahren mit den Problemen unserer Zeit auseinander und erarbeitet alternative Lösungsansätze für die akuten ökologischen, sozialen und politischen Krisen. Sein neues Buch How Soon is Now? skizziert die Vision einer sozialen Massenbewegung, die in der Lage ist, die nahende Eskalation zu verhindern. Die zentrale These dabei besagt, dass die Menschheit die Katastrophe unbewusst selbst herbeigeführt hat, da nur so eine Transformation in den gegenwärtigen Zustand möglich ist.

Daniel Pinchbeck: „Was wir als Spezies unternommen haben, hat in eine planetare Katastrophe geführt und für die Menschheit als Ganzes eine Feuerprobe ausgelöst. Ich meine, dass wir das auf einer unbewussten Ebene so gewollt haben. Wir zwingen uns damit, uns zu entwickeln – uns zu verändern oder zu sterben.“ Wir stehen vor einer Feuerprobe, die notwendig ist, um uns von einem Zustand des Seins zum nächsten zu entwickeln.

How Soon Is Now? ist ein Lied der britischen Rockband The Smiths von 1984. Ursprünglich war es nur als B-Seite der Single William, It Was Really Nothing veröffentlicht worden, dann aber im Jahr darauf als eigenständige Single aus dem Album Meat Is Murder ausgekoppelt. 2007 nannte Co-Autor Johnny Marr How Soon Is Now? in einem Interview mit der Musikzeitschrift Uncut das wohl längstlebige Lied der Band. In der Tat zählt es bis heute zu ihren bekanntesten Stücken. Viel Lob erhielt die Band für den Liedtext von How Soon Is Now?. Nach: wikipedia.org/How_Soon_Is_Now?]

„Wie lange wollen wir noch warten? Haben wir überhaupt noch Zeit zu handeln“

In seinem Buch und seinen Workshops stellt der „charismatische Autor“ (so der Verlagsprospekt) die wichtigsten Aspekte seiner jahrelangen Forschung vor und ermutigt uns alle, die Probleme unserer Zeit anzugehen und einen globalen Bewusstseinswandel zu initiieren. Daniel Pinchbeck ist fest davon überzeugt, dass die Gesellschaft gemeinsam eine Veränderung herbeiführen und eine neue Perspektive inmitten des Chaos finden kann.

 

Rauchfahne das KW Reuter West, Berlin – laut UBA 2,8 Mio. t CO2 pro Jahr
Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Dazu nimmt er als Problem-Beispiel „Bangladesch, ein Land, in dem 157 Millionen Menschen auf ein bis fünf Metern über dem Meeresspiegel leben“: Und er setzt das reiche Europa in Kontrast dazu, den „luxuriösen Lebensstil, der riesige CO2– Emissionen verursacht“, dagegen verdient „der durchschnittliche Bangladescher weniger als tausend Dollar im Jahr und hinterlässt nur einen minimalen ökologischen Fußabdruck“. Dafür bezahle die Mehrheit der Bangladeshi mit ihrer Heimat, wenn der Meeresspiegel klimabedingt ansteige. Denn dann werde ein großer Teil von Bangladesch unbewohnbar werden, weil Meerwasser in die Süßwasserquellen einsickern werde. Indien baue, um Flüchtlinge aus Bangladesch fernzuhalten, bereits einen großen Zaun.

Passiver Genozid

Pinchbeck weiter: „In gewisser Hinsicht, so könnte man argumentieren, sind wir in der entwickelten Welt nicht besser als die schlimmsten und barbarischsten Regimes der Vergangenheit. Wir wissen seit Jahrzehnten, dass unsere fortwährende Untätigkeit in Bezug auf CO2-Emissionen eine Form von passivem Genozid gegenüber den verletzlichsten Teilen der Weltbevölkerung darstellt, aber wir blenden die Folgen starrsinnig aus unserem Bewusstsein aus. Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber wir können uns der Gegenwart stellen. Wie Praktizierende des Huna, der alten spirituellen Lehre von Hawaii, es ausdrücken: ‚jetzt ist der Augenblick der Kraft‘. Anders gesagt: Jetzt ist der einzige Augenblick, wenn wir unsere persönliche Verantwortung für das Schicksal unserer gemeinsamen, gefährdeten Welt akzeptieren. Jetzt ist auch der Augenblick, in dem wir uns entscheiden können, kleinliche Angelegenheiten beizulegen und stattdessen als Agenten der Biosphäre zu handeln. Wir sollten unser eigenes Leben als einen katalytischen Prozess verstehen, in dem wir unsere Energien und unseren Intellekt für ein wertvolles größeres Ganzes einsetzen.“

„Nichts geschieht, was frei von Sinn wäre“

Im Schweizer Magazin „Spuren“ schreibt Martin Frischknecht über „How soon is now?“: „Der Band zählt gut 400 Seiten und enthält eine Fülle an Informationen über Missstände und Lösungsansätze, eine Tour de Force wider den Zeitgeist, ein Plädoyer gegen das Verdrängen“. Es spreche aber weniger ein besorgter als ein gelassener Mensch. Frischknecht meint einen, „der in geistigen Höhenflügen sehen durfte, dass nichts geschieht, was frei von Sinn wäre, dass sich alles zur rechten Zeit ereignet, und dass jedes Geschehen einem übergeordneten Plan entspricht, den zu erkennen wir bloß selten in der Lage sind. Die Krise, die wir derzeit durchlaufen, die rasante Verschlimmerung unserer Öko-Bilanz, die Unfähigkeit der Völker und deren politischer Führung, das Steuer herumzureißen und die Fahrt in den Abgrund aufzuhalten, läuft nach Pinchbecks Dafürhalten auf einen immensen Lernschritt unserer Evolution hinaus. Als Menschheit stehen wir vor einer Art von Lektion, wie wir sie – falls überhaupt – nur aus dem individuellen Leben kennen: eine Initiation.“

Menschheit im Geburtskanal

Laut Frischbeck/Pinchbeck „komme es darauf an, die missliche Lage auszuhalten und darauf zu warten, dass sich etwas Unvorhersehbares ereigne. Verzweifeln mag Daniel Pinchbeck darüber nicht. Im Gegenteil“. Er glaubt, diese Entwicklung sei derart perfekt terminiert und laufe sinnvoll ab wie ein Vorgang in der Evolutionsbiologie: „Wir folgen dabei vielleicht einem Programm oder einer Abfolge, so ähnlich wie bei der Entwicklung des Fötus, bei der die Mutter ihrem Kind in genauen Intervallen chemische Signale sendet bis hin zur Geburt. Was wir verstehen und artikulieren können, ist Teil des Programms, das der Code ausführt, während er sich selbst schreibt. Ich bin der Meinung, dass wir uns im Moment gerade im Geburtskanal befinden, auf dem Weg zur nächsten Schwelle unseres Erwachens, der nächsten Phase unseres Lebens als Spezies.“

Vorwort von Sting (Gordon Matthew Thomas Sumner)
„Unsere entfernten Vorfahren hätten wohl nie das Meer verlassen, wenn es vor gut 400 Millionen Jahren keine ökologische Krise gegeben hätte, die sie im Lauf von Generationen zwang, an Land zu gehen. Beim Blick auf die Geschichte unserer Spezies wird deutlich, dass wir uns nur durch Krisen weiterentwickeln. Wir machen auf individueller wie kollektiver Ebene nur dann Fortschritte, wenn wir uns außerhalb unserer Komfortzone befinden. Die Chronik der Entwicklung des Lebens auf Erden ist voll von kurzlebigen Arten, die sich den Veränderungen nicht anpassen konnten.
Und wir Menschen sind durch unseren zerstörerischen Einfluss auf den Planeten auf dem besten Wege, zu einer weiteren Spezies auf dieser Liste zu werden. Vielleicht braucht die Erde mal eine Pause von ihren krank machenden Gästen.
Daniel Pinchbecks Buch How soon is Now? befasst sich mit der enormen Diskrepanz zwischen den Auswirkungen unseres Tuns und der ökologischen Tragfähigkeit unserer Erde. Insgeheim wissen wir alle, dass der aktuelle Zustand nicht mehr lange aufrechterhalten werden kann, gibt es doch bereits zahlreiche Anzeichen des Zerfalls.
Während ich dies schreibe, befindet sich Großbritannien noch im Schockzustand nach dem „Brexit“, Der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs kommt zu einer Zeit, in der die ganze Welt Einheit bräuchte, in der ein Angst schürender, die Klimaveränderung leugnender Milliardär der nächste Präsident der Vereinigten Staaten wird und in Alaska der Sommer früher kam als je zuvor. Was auch immer am Ende die Folgen dieser Ereignisse sein werden, sie zeigen uns, dass wir nicht länger so weitermachen können wie bisher. Was uns heute als ‚normal‘ erscheint, wird keinen Bestand mehr haben. Und wir werden uns nicht mehr auf unsere zusammenbrechenden Institutionen verlassen können.
Viele Wissenschaftler, die sich mit der globalen Erwärmung beschäftigen, sind davon überzeugt, dass wir kurz vor dem Punkt stehen, an dem es kein Zurück mehr gibt. Obwohl die meisten von uns das Offensichtliche nicht wahrhaben wollen, brauchen wir jetzt den Mut, der Realität ins Auge zu blicken – nicht nur um unserer selbst willen, sondern auch für unsere Kinder und Enkel, die ebenfalls von der Klimaveränderung betroffen sein werden.
Was ich an diesem Buch sehr schätze, ist, dass es nicht mit erhobenem Zeigefinger daherkommt, was strategisch viel effektiver sein könnte als das übliche Benennen von Schuldigen. Auch wenn wir die Verursacher der schlimmsten Schäden nicht ungeschoren davonkommen lassen können, ist der wichtigste ‚Punkt doch der, dass wir alle Teil desselben Systems sind – eines Systems, das neu gestaltet werden muss.
In How soon is Now? zeigt Daniel, dass trotz aller realen Gefahren auch große Potenziale und Chancen in der heutigen Zeit liegen. Wir können diese Chancen jedoch nur dann nutzen, wenn wir den Mut haben, uns den Bedrohungen zu stellen, die unsere Existenz auf diesem Planeten gefährden, und gemeinsam dagegen vorgehen.“

Daniel Pinchbeck ist Philosoph, Futurist und Bestsellerautor von 2012. Die Rückkehr der gefiederten Schlange sowie Herausgeber des führenden Internetmagazins für spirituelle Transformation Reality Sandwich. Mit seiner Non-Profit-Organisation Center for Planetary Culture widmet er sich der Entwicklung alternativer Lösungsansätze für die drängendsten ökologischen, sozialen und politischen Probleme unserer Zeit. Pinchbecks Beiträge sind u.a. im New York Times Magazine, dem Rolling Stone, in The Village Voice und Esquire erschienen (www.pinchbeck.io).

->Quelle: scorpio-verlag.de/How-soon-is-Now.html