Erneuerbare senken Strompreise und Emissionen – Mangelnde Dynamik bei Gebäuden und Verkehr
Aufgrund neuer Rekorde bei Erneuerbaren und einem historischen Tief bei der Kohleverstromung gingen die Treibhausgasemissionen in Deutschland 2024 deutlich zurück. Damit hält die Bundesrepublik das nationale Jahresklimaziel ein, verfehlt zugleich aber die EU-Klimavorgaben aufgrund fehlender Fortschritte in den Bereichen Gebäude und Verkehr. Um die positive Dynamik des Stromsektors auf die Nachfragesektoren zu übertragen, sind Investitionsanreize für klimaneutrale Technologien und die Absicherung attraktiver Strompreise essenziell.
Deutschlands Treibhausgasemissionen sind 2024 deutlich gesunken – sie gingen um 18 Millionen Tonnen bzw. 3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf insgesamt 656 Millionen Tonnen CO2 zurück. Damit fielen die Emissionen zum dritten Mal in Folge und erreichten einen historischen Tiefstand, auch wenn sich der Rückgang im Vergleich zum letzten Jahr stark verlangsamte. Dies zeigen vorläufige Berechnungen von Agora Energiewende, die der Thinktank in seiner Bilanz des Energiejahres 2024 vorgelegt hat. Somit wird das Jahresziel nach dem neuen Klimaschutzgesetz um 36 Millionen Tonnen CO2 übererfüllt. Aufgrund mangelnder Minderung bei Gebäuden und Verkehr verfehlte die Bundesrepublik jedoch die europäisch vereinbarten Klimaziele im Rahmen der sogenannten Effort Sharing Regulation (ESR) um schätzungsweise 12 Millionen Tonnen CO2. Im Vergleich zum Referenzjahr 1990 gingen die deutschen Treibhausgasemissionen 2024 insgesamt um 48 Prozent zurück.
Hauptursache des Rückgangs waren positive Effekte in der Energiewirtschaft, die mehr als 80 Prozent der Emissionsreduktionen ausmachten: So wurden 2024 Kohlekraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 6,1 Gigawatt stillgelegt, was 16 Prozent der installierten Kohle-Kapazität entsprach. Der Wegfall wurde durch eine Rekorderzeugung bei den Erneuerbaren Energien in Höhe von 55 Prozent des Bruttostromverbrauchs und gestiegene Importe ausgeglichen, welche zu 49 Prozent aus Erneuerbaren stammten. Der Börsenstrompreis sank trotz gleichbleibender Stromnachfrage gegenüber 2023 um durchschnittlich 18 Prozent bzw. 17 Euro je Megawattstunde auf 78 Euro je Megawattstunde. Weitere Gründe für den Emissionsrückgang waren milde Witterungsbedingungen und eine schwächere Wirtschaftsleistung.
Dazu Simon Müller, Direktor von Agora Energiewende Deutschland: „Im Stromsektor zeigen die Klimaschutzmaßnahmen der letzten Jahre immer stärker ihre Wirkung: Deutschland bereitet mit einem deutlichen Plus bei den Erneuerbaren Energien und der positiven Entwicklung beim Netzausbau den Weg für eine erfolgreiche Transformation in allen Sektoren. Dabei profitiert die Bundesrepublik zunehmend von sinkenden Emissionen und günstigeren Börsenstrompreisen.“
Anders als im Stromsektor zeigten sich in den Nachfragesektoren Industrie, Gebäude und Verkehr keine strukturellen Fortschritte. Im Gegenteil, die Investitionen in klimaneutrale Technologien wie Wärmepumpen oder E-Pkw waren gegenüber dem Vorjahr sogar rückläufig. In der Industrie stiegen die Emissionen trotz der wirtschaftlichen Stagnation im vergangenen Jahr um 3 Millionen Tonnen CO2 leicht an, insbesondere wegen eines gesteigerten Verbrauchs fossiler Brennstoffe in der Schwerindustrie. Die geringfügigen Emissions-reduktionen im Gebäudebereich von 2 Millionen Tonnen CO2 gingen im Wesentlichen auf den verringerten Heizenergiebedarf wegen milder Witterung zurück. Wäre die Witterung im Vergleich zu 2023 gleichgeblieben, wären die Emissionen sogar gestiegen. Im Verkehrssektor wurde ebenfalls nur eine geringfügige Reduktion von 2 Millionen Tonnen CO2 gegenüber dem Vorjahr erreicht – vor allem durch geringeren Lkw-Verkehr infolge der wirtschaftlichen Schwäche. Zugleich stieg aber der Pkw-Verkehr an. Insgesamt verfehlt der Verkehrssektor mit Emissionen in Höhe von 144 Millionen Tonnen CO2 das im Klimaschutzgesetz definierte Jahresziel deutlich um 19 Millionen Tonnen CO2. Durch die Zielverfehlung bei Gebäuden und Verkehr muss die Bundesregierung in absehbarer Zeit Emissionsrechte aus anderen EU-Mitgliedstaaten zukaufen, ansonsten drohen Strafzahlungen – ein milliardenschweres Haushaltsrisiko.
„Ein zentraler Grund für den Mangel an strukturellem Klimaschutz in den Sektoren Industrie, Gebäude und Verkehr ist die Verunsicherung bei Haushalten und Unternehmen. Diese führte zu einer allgemeinen Investitionszurückhaltung – trotz 2024 insgesamt rückläufiger Stromkosten”, sagte Simon Müller. So gingen der Absatz von Wärmepumpen und die Neuzulassungen von E-Pkw im Vergleich zum Vorjahr um 44 bzw. 26 Prozent zurück. „In der nächsten Legislaturperiode gilt es, die Transformationsdynamik aus dem Strom-sektor auch in die Nachfragesektoren zu übertragen. Zentral hierfür sind politische Maßnahmen, die die soziale Ausgewogenheit sichern und es Haushalten und Unternehmen ermöglichen, den Umstieg zur Klimaneutralität zu schaffen. Denn die kommende Legislaturperiode ist entscheidend, um die für die nationalen und europäischen Klimaziele notwendigen Investitionen zu tätigen.“
Emissionsreduktion durch Erneuerbare, Stromimporte und flexible Stromnutzung
Die Emissionen der Energiewirtschaft sanken 2024 bei gleichbleibendem Strombedarf auf 183 Millionen Tonnen CO2 und verzeichneten damit ein deutliches Minus von 18 Millionen Tonnen (-9 Prozent) gegenüber 2023. Die wachsende Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien (+12 Terawattstunden) und ein höheres Stromimportsaldo aus den europäischen Nachbarländern (+12 Terawattstunden) verringerten signifikant die Stromerzeugung aus konventionellen Kraftwerken. Die Stromimporte bestanden dabei knapp zur Hälfte (49 Prozent) aus Erneuerbaren Energien und machten insgesamt 5 Prozent des Stromverbrauchs aus. Kernenergie lieferte wie im vergangenen Jahr rund ein Viertel der importierten Strommenge. Deutsche Haushalte und Unternehmen profitieren von den Importen insbesondere durch niedrigere Strompreise. Darüber hinaus stärkt der gemeinsame europäische Stromhandel die Versorgungssicherheit, reduziert den Einsatz fossiler Kraftwerke und senkt so die Emissionen der europäischen Stromerzeugung. Insgesamt wurden 2024 noch 210 TWh konventioneller Strom in Deutschland produziert; das entspricht einem Rückgang um 11 Prozent, der überwiegend auf einen Rückgang der Kohleverstromung zurückzuführen ist (-16 Prozent gegenüber 2023). Die Erdgasverstromung blieb dagegen unverändert.
Der Börsenstrompreis sank gegenüber 2023 um durchschnittlich 18 Prozent bzw. 17 Euro je Megawattstunde auf 78 Euro. Auch die Verbraucherstrompreise für Industrie und Haushalte sanken 2024, dank nachziehender Preisanpassungen gegenüber den hohen Werten 2022/2023. Insbesondere bei Neukundenverträgen für Privathaushalte sind deutliche Einsparungen möglich: So konnte ein Haushalt mit 3500 kWh Jahresverbrauch über einen Neukundenvertrag zu 28,7 Cent je Kilowattstunde etwa 426 Euro gegenüber dem Durchschnittstarif sparen.
Durch die erhöhte Stromeinspeisung aus Erneuerbaren Energien war im vergangenen Jahr auch eine erhöhte Volatilität an der Strombörse zu beobachten. „Zeiten mit viel Wind und Sonne führen zu viel Erneuerbarem Strom, der zu niedrigen bis negativen Strompreisen führen kann. Unsere Berechnungen zeigen, dass solche Phasen im Jahresverlauf deutlich häufiger auftreten als Dunkelflauten. Insgesamt fällt aufs Jahr gerechnet der preissenkende Effekt solcher Grünstromphasen doppelt so stark ins Gewicht wie die Preisspitzen der Dunkel-flauten“, so Simon Müller. Das Potential solcher Phasen mit viel günstigem Erneuerbaren Strom müsse durch mehr Flexibilitäten nutzbar gemacht werden. „Dazu braucht es mehr Stromspeicher, einen schnelleren Einbau von Smart Metern, sowie Anreize für flexiblere Nachfrage bei industriellen Großverbrauchern. Eine Reform der Netzentgelte ist hier entscheidend, denn die aktuelle Preisstruktur ist eine echte Flexibilitätsbremse.“
Die Großhandelspreise für Gas sind 2024 gegenüber dem krisenbedingt hohen Niveau der Jahre 2021-23 insgesamt gesunken. Allerdings stiegen die Preise in der zweiten Jahreshälfte wieder an, u.a. wegen der Ent-wicklung an den globalen LNG-Märkten. Dies verdeutlicht, dass langfristig stabile und niedrige Preise nur durch einen konsequenten Umstieg von fossilen auf Erneuerbare Energien möglich sind.
Solarboom und neue Rekorde bei Ausschreibungen und Genehmigungen für Wind an Land
Der positive Trend beim Ausbau der Erneuerbaren Energien setzte sich 2024 fort. Ihr Anteil am Bruttostrom-verbrauch stieg auf 55 Prozent. Bei der Photovoltaik wurde der Ausbaurekord von 2023 mit einem Wert von rund 16 Gigawatt nochmals übertroffen. Die Leistung neu installierter Windenergieanlagen an Land fiel mit 2,3 Gigawatt zwar wieder zu niedrig aus. Allerdings zeigt sich bei Ausschreibungsergebnissen und Genehmi-gungen eine deutliche Trendwende: 2024 wurden 11 Gigawatt neue Windanlagen an Land in den Ausschrei-bungen bezuschlagt, ebenfalls ein neuer Rekord. Die Anzahl der Genehmigungen neuer Onshore-Windprojekte stieg sogar auf knapp 13 Gigawatt und liegt damit knapp dreimal so hoch wie vor zwei Jahren. Auch die Ausschreibungen für Wind auf See waren mit Zuschlägen für 8 Gigawatt neuer Leistung erfolgreich.
Leicht gestiegene Emissionen in der Industrie, trotz wirtschaftlicher Stagnation
Die Treibhausgasemissionen der Industrie lagen 2024 bei 158 Millionen Tonnen CO2, was einem leichten Anstieg von 3 Millionen Tonnen beziehungsweise zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Insge-samt wog der Effekt des leicht erhöhten Verbrauchs fossiler Kraftstoffe der energieintensiven Industrie höher als der allgemeine Produktionsrückgang über alle Industrien hinweg. Dennoch lagen die Emissionen um 10 Millionen Tonnen CO2 unter dem indikativen Jahressektorziel.
Beim Blick auf die Strompreise zeigt sich in der Industrie ein differenzierteres Bild: Im Vergleich zu 2023 sank der Strompreis für industrielle Abnehmer dank niedrigerer Beschaffungskosten und der deutlich reduzierten Stromsteuer. Damit liegt der Strompreis für kleinere Industrie- und Gewerbebetriebe wieder auf dem Niveau von 2021. Große Verbraucher zahlen weiterhin deutlich mehr als vor der Krise.
„Steigende Industrieemissionen bei stagnierender Wirtschaft zeigen, wie dringend wir strukturelle Klima-schutzmaßnahmen brauchen. Gerade in der Industrie besteht ein enormes Potential für den Umstieg von fossilen Energien auf strombasierte Prozesse“, so Simon Müller. Die Ampelkoalition habe wichtige Rahmen-bedingungen wie Klimaschutzverträge, den Start der Umsetzung des europäischen Förderprogramms IPCEI für Wasserstoff oder die Genehmigung des Wasserstoffkernnetzes geschaffen. Dennoch dominiere die Investi-tionszurückhaltung, auch aus Sorge vor wieder steigenden Energiepreisen. „2024 zeigt bei den Strompreisen eine klare Erholung, dennoch liegen die Preise für die wirklich energieintensiven Unternehmen weiter deutlich über dem Vorkrisenniveau. Strom ist im Vergleich zu Gas auch immer noch zu teuer. Für eine klimaneutrale Erholung der Wirtschaft braucht es daher in der nächsten Legislaturperiode weitere Maßnahmen, u. a. eine Absenkung der Stromsteuer, eine grundlegende Reform der Netzentgelte sowie unbürokratische Anreize für Investitionen in Klimaneutralität und Flexibilisierung“, so Müller.
Kaum Emissionsminderung bei Gebäuden und Verkehr
Auch im Jahr 2024 konnte im Gebäudesektor keine nennenswerte Reduktion der Emissionen erzielt werden. Im Vergleich zum Vorjahr wurden lediglich 2 Millionen Tonnen CO2 weniger ausgestoßen. Anstatt der im Klimaschutzgesetz festgelegten maximalen Emissionsmenge von 96 Millionen Tonnen CO2, wurden insgesamt 105 Millionen Tonnen CO2 im Gebäudesektor emittiert. Die geringfügigen Emissionsreduktionen gehen im Wesentlichen auf den abermals verringerten Heizenergiebedarf infolge der milden Witterung zurück. Bei strukturellen Veränderungen gab es dagegen wenig Fortschritte: So ging der Wärmepumpenabsatz gegenüber dem Vorjahr um 44 Prozent auf rund 200.000 Wärmepumpen zurück, und die Schwäche der Baubranche führte zu einem historischen Tiefstand bei energetischen Sanierungen von 0,61 Prozent im letzten Quartal.
„Für das Erreichen der Klimaziele sind Emissionsminderungen im Gebäudesektor essenziell. Mit dem Gebäudeenergiegesetz wurde 2023 ein solides Fundament geschaffen, auf das in der kommenden Legislatur-periode weiter aufgebaut werden sollte. Bürgerinnen und Bürger brauchen dringend Klarheit, damit sie beim Heizungstausch vorangehen können. Gleichzeitig ist es wichtig, soziale Härten im Übergang abzufedern und bedürftige Haushalte gezielt bei Investitionen zu unterstützten“, sagte Simon Müller. „Die Beibehaltung der zentralen Elemente des Gebäudeenergiegesetzes, insbesondere der 65-Prozent-Erneuerbaren-Regel, schafft Vertrauen und Investitionssicherheit – auch für die deutschen Heizungsbauer, die bereits massiv in die Steigerung ihrer Produktionskapazitäten für Wärmepumpen investiert haben.“ Außerdem seien eine differenziertere Ausgestaltung der Förderung für Privathaushalte, eine Erhöhung der Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW), die Einführung eines dauerhaften Wärmepumpenstrompreises und eine verstärkte Förderung von Großwärmepumpen und klimaneutralen KWK-Anlagen wichtige Bausteine.
Im Verkehrssektor sanken die Emissionen gegenüber 2023 geringfügig um ein Prozent beziehungsweise 2 Millionen Tonnen CO2 auf insgesamt 144 Millionen Tonnen CO2. Damit lagen die Emissionen abermals weit oberhalb des indikativen Jahresziels des Klimaschutzgesetzes von 125 Millionen Tonnen CO₂. Der Rückgang des Lkw-Verkehrs um ein Prozent ist im Wesentlichen der schwachen Konjunktur geschuldet, dagegen nahm der Pkw-Verkehr leicht zu. Mit rund 347.000 neu zugelassenen Elektroautos wurden bis Ende November noch-mals weniger reine Elektroautos zugelassen als im Vorjahreszeitraum – und weit weniger, als für die Zielmarke von 15 Millionen E-Autos bis 2030 erforderlich wären. Positiv war dagegen der Anstieg des Fahrgastaufkommens im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im ersten Halbjahr um sechs Prozent, der vor allem auf die Einführung des Deutschlandtickets im Mai 2023 zurückzuführen ist. Dennoch ist der Verkehrssektor derzeit weder klima- noch industrie- oder sozialpolitisch auf Kurs. Um dies zu ändern, braucht es in der nächsten Legislaturperiode zusätzliche Maßnahmen und eine klare Strategie. Dazu gehören etwa eine zeitnahe, am CO2-Ausstoß orientierte Reform der Steuern, Abgaben und Subventionen rund um den Pkw – von Kfz- und Dienstwagenbesteuerung bis zu CO₂-Preis mit Klimageld und verursachergerechter Pkw-Maut. Außerdem ist es wichtig, die Transformation der Automobilindustrie zu unterstützen und einen starken Heimatmarkt für Elektrofahrzeuge zu schaffen, etwa mit Instrumenten zum Hochlauf der Elektromobilität in gewerblichen Flotten, wirtschaftlichen Anreizen, die vor allem kleinere Elektroautos günstiger machen, und einem weiterhin schnellen Ausbau der Ladeinfrastruktur.
Ein wirksamer Politikmix und eine solide Finanzierungsbasis für die Transformation
Für eine erfolgreiche Klima- und Energiepolitik ist es in der nächsten Legislaturperiode entscheidend, die Finanzierung der Transformation in allen Sektoren strukturell auf eine solide Basis zu stellen. Dazu gehören verschiedene Elemente, wie eine gezielte Unterstützung, um private Investitionen zu ermöglichen, Entlastungsmaßnahmen für Bürger:innen und Unternehmen im Übergang, öffentliche Infrastruktur-investitionen – insbesondere auch auf kommunaler Ebene – und internationale Klimafinanzierung, um den Klimaschutz weltweit in geopolitisch herausfordernden Zeiten verlässlich voranzubringen.
„Unsere jüngsten Analysen zeigen deutlich: Klimaschutz bildet die Grundlage für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft, erhöht die Energiesicherheit und kann die soziale Teilhabe stärken. Für die kommende Legislaturperiode ist es deshalb entscheidend, dass Deutschland klima- und energiepolitisch am Ball bleibt. Voraussetzung dafür sind ein wirksamer Politikmix und eine solide Finanzierungsbasis für die Transfor-mation“, so Simon Müller. „Klimaschutz bleibt eine Generationenaufgabe, für die es jetzt mehr denn je mutige politische Entscheidungen und eine entschlossene, überparteiliche Zusammenarbeit von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik braucht.“
BEE: Erneuerbare wirken – Weiterer Ausbau senkt Stromkosten und Emissionen – Erfolg des Ausbaus der Erneuerbaren Energien im Stromsektor, vor allem Wind und Solar
Aktuelle Studien zur Jahresbilanz 2024 belegen den erfolgreichen Ausbau der Erneuerbaren Energien, allen voran Wind und Photovoltaik mit positiven Folgen für Strompreise und CO2-Emissionen. Nach den jüngsten Erhebungen von Fraunhofer ISE hat dies heute auch Agora Energiewende belegt. “Insgesamt stieg der Anteil der Erneuerbaren auf 56 Prozent des Bruttostrombedarfs, der Atomausstieg wurde kompensiert und auch die Kohleverstromung nahm ab. Das zeigt, dass die Reformen der Ampel-Regierung wirken, und wir auf einem guten Weg Richtung 80 Prozent bis 2030 sind”, so BEE-Präsidentin Simone Peter.
Die Photovoltaik kann mit 16 Gigawatt (GW) einen neuen Ausbaurekord verzeichnen, auch bei Windenergie an Land wurden bei Neugenehmigungen (13 GW) und Zuschlägen in den Ausschreibungen (über 10 GW) Rekorde aufgestellt, auch wenn der Zubau im letzten Jahr etwas schwächelte. Die installierte Batterieleistung stieg nach Angaben von Fraunhofer auf 12 GW. Allein bei den flexibel steuerbaren Energien – Bioenergie, Wasserkraft, Geothermie und grüne KWK – sind keine Fortschritte, sondern eher Stagnation oder wie bei der Bioenergie sogar Rückbau zu verzeichnen. “Gerade dieses heimische, saubere Backup ist neben Speichern und Verbraucherflexibilität wichtig für die Flexibilisierung des Energiesystems und damit für den Ausgleich von Wind und Solar. Hier muss die nächste Bundesregierung eine Trendwende einleiten”, so Peter.
Die Zahlen von Agora bestätigen einmal mehr: Erneuerbare Energien senken die Strompreise an den Börsen spürbar. Der Agora-Studie zufolge ist der durchschnittliche Börsenstrompreis im vergangenen Jahr um fast 20 Prozent gegenüber 2023 gesunken. Diese Senkung fällt über das ganze Jahr gerechnet doppelt so stark ins Gewicht wie die Preisspitzen durch Dunkelflauten. “Die Debatten über Dunkelflauten stellen die Energiewende in ein völlig falsches Licht. Erneuerbare sind die Lösung des Problems”, hält Peter fest. Damit seien auch die Ergebnisse der Studie “Klimaneutrales Stromsystem” bestätigt, die bereits 2021 das Phänomen der Strompreissenkung durch Erneuerbare ausführlich betrachtete. “Nun muss das Strommarktdesign nach den systemsetzenden Erneuerbaren ausgerichtet werden, um die Kostendämpfung der Erneuerbaren besser zu nutzen und negative Preise zu vermeiden.”
“Kontraproduktiv ist es indes, Erneuerbare bei negativen Preisen zu pönalisieren“, so Peter. In der kommenden Woche wird die Novelle des EnWG im Energieausschuss des Bundestags diskutiert. Darin angelegt ist die Möglichkeit zur Überbauung von Netzverknüpfungspunkten, die der BEE schon seit Langem fordert. “Alleine damit können bestehende Netzkapazitäten besser genutzt und der Netzanschluss beschleunigt werden. Zudem schaffen Erzeuger-, Verbraucher- und Speicherflexibilität Möglichkeiten der Nutzung des günstigen Ökostroms. Hier braucht es jetzt dringend Anreize”, so Peter.
Laut den Studien von Agora Energiewende, aber auch von Fraunhofer ISE zu den Entwicklungen im Stromsektor, sanken neben den Stromkosten auch die CO2-Emissionen im vergangenen Jahr deutlich und erreichten einen historischen Tiefstwert. Primär sind die gesunkenen Emissionen einer Rekorderzeugung aus Erneuerbaren Energien zu verdanken, die nicht nur den Atomausstieg kompensierten, sondern auch die Stilllegung von 6 GW Kohlekraftwerksleistung. Auch Stromimporte, die zu etwa der Hälfte aus Erneuerbaren Energien aus dem benachbarten Ausland stammten, trugen zur Verdrängung von Kohlestrom bei. “Der EU-Binnenmarkt funktioniert, unsere Nachbarn helfen uns bei der Energiewende, und auch wir helfen aus, wenn der Bedarf besteht”, so Peter.
Im Industriesektor bestehe laut Agora Energiewende weiterhin eine hohe Notwendigkeit zur Treibhausgasreduktion. “Erleichterungen bei der Direktbelieferung von Industriebetrieben mit Strom aus Erneuerbaren Energien und eine grüne Moleküloffensive mit erneuerbaren Gasen können hier einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten und den Industriestandort sichern,” ist sich Peter sicher. Das gilt auch für die Sektoren Verkehr und Gebäude, die laut Agora Energiewende ihre CO2-Ziele ebenfalls deutlich verfehlen. “Die Diskussion um das Gebäudeenergiegesetz hat zu großer Verunsicherung geführt. Wir appellieren dringend an die Parteien, das Vertrauen der Menschen wiederherzustellen. Bestehende Förderprogramme müssen über die aktuelle Legislatur hinaus verstetigt werden und Marktanreize wie der CO2-Preis klug mit Ordnungsrecht und Förderung verbunden werden. Nur so schützen wir Haushalte vor steigenden Kosten“, so Peter.
“2024 war insgesamt ein positives Jahr für die Energiewende. Die scheidende Bundesregierung hat nach Jahren des Stillstandes viel ermöglicht. Zum Ende der Legislatur schlagen sich diese Maßnahmen in einer Rekorderzeugung an Strom aus Erneuerbaren Energien nieder. In der kommenden Woche werden noch zahlreiche und für die Energiewirtschaft relevante Gesetzesvorhaben in den Ausschüssen des Bundestags diskutiert. Hier können Maßnahmen für eine starke und konsequente Energiewende in allen Sektoren auch über diese Legislatur hinaus auf den Weg gebracht werden. Und eine neue Regierung muss mit einem neuen Strommarktdesign, das Flexibilität ins Zentrum stellt, einer umfassenden Wärme- und Verkehrswende und grüner Energie für Industrie und Mittelstand die Weichen für die Zukunft stellen”, so Peter abschließend.
Die Studie „Die Energiewende in Deutschland: Stand der Dinge 2024“ fasst die wesentlichen Entwicklungen zur Energiewende und Klimazielen des vergangenen Jahres zusammen und steht unter www.agora-energiewende.de zum kostenfreien Download bereit.
Über Agora Energiewende
Agora Energiewende erarbeitet unter dem Dach der Agora Think Tanks wissenschaftlich fundierte und politisch umsetzbare Konzepte für einen erfolgreichen Weg zur Klimaneutralität – in Deutschland, Europa und international. Die Denkfabrik agiert unabhängig von wirtschaftlichen und parteipolitischen Interessen und ist ausschließlich dem Klimaschutz verpflichtet.