Erste Analyse der COP29 in Baku vom Wuppertal Institut

COP29: Kein „Geschenk Gottes“ – ein Rückschritt konnte gerade noch so vermieden werden

Die 29. Konferenz der Vertragsparteien des UN-Rahmenübereinkommens über Klimaänderungen (COP29) ging in den frühen Morgenstunden des 24. November 2024 zu Ende. Nach vielen Konflikten verabschiedete die Konferenz ein „neues kollektives quantifiziertes Ziel“ für die Klimafinanzierung. Das neue Finanzierungsziel liegt jedoch deutlich unter den tatsächlichen Finanzierungsbedarfen. Darüber hinaus ist es den Vertragsstaaten nicht gelungen, das auf der letztjährigen Konferenz in Dubai vereinbarte Signal für die globale Energiewende – einschließlich der Abkehr von fossilen Energien – weiter zu festigen. Forschende des Wuppertal Instituts haben an der Konferenz teilgenommen und die wichtigsten Ergebnisse der Verhandlungen zusammengefasst.

Eingang zur COP29 – Foto © cop29.az, CC BY-NC-SA 2.0

Nach Ägypten im Jahr 2022 und den Vereinigten Arabischen Emiraten im Jahr 2023 fand die diesjährige Konferenz in Aserbaidschan statt, also erneut in einem fossile Brennstoffe fördernden Staat – dessen Präsident Ilham Alijew Öl und Gas in seiner Einführung zur Konferenz als „Geschenk Gottes“ bezeichnete und damit direkt die Weichen für eine eher auf Konfrontation als Zusammenarbeit ausgerichtete Konferenz stellte. Auch die Art und Weise, wie Aserbaidschan den COP-Vorsitz führte, war für internationale Verhandlungsprozesse wenig zielführend. So wurde die Präsidentschaft wiederholt dafür kritisiert, dass sie es versäumt hat, die Verhandlungen angesichts des immensen Handlungsdrucks in die erforderliche progressive Richtung zu lenken und alle relevanten Akteur*innen aktiv in die Erarbeitung von Beschlussvorlagen einzubinden.

Vor allem aber blieb das Konferenzergebnis deutlich hinter dem zurück, was erforderlich ist, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Zusammenfassend muss man konstatieren, dass ein Rückschritt gegenüber den bisherigen Klimakonferenzen gerade noch so verhindert werden konnte und es keinen wirklichen Fortschritt gegeben hat. Die positivste Nachricht ist noch, dass es trotz der vielfältigen geopolitischen Spannungen überhaupt zu einer Übereinkunft der Staatengemeinschaft gekommen ist. „Die Abschlussvereinbarung der COP29 ist daher alles andere als ein ‚Geschenk Gottes‘ und schafft nicht die dringend notwendige Dynamik, um einem substantiellen Rückgang der globalen Treibhausgasemissionen den Weg zu bereiten. In einer Phase, in der in diesem Jahr mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum ersten Mal über ein ganzes Jahr hinweg eine Erhöhung der Weltmitteltemperatur von mehr als 1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu beobachten sein wird, ist dies mehr als eine große Enttäuschung,“ bewertet Prof. Dr. Manfred Fischedick, Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts, die Konferenzergebnisse.

Keine hinreichende Finanzierung für Klimaschutz und den Umgang mit den Folgen des Klimawandels

Das Ergebnis der COP29 zum neuen Klimafinanzierungsziel, dem „New Collective Quantified Goal“ (NCQG), sieht vor, dass die Industriestaaten ihre Klimafinanzierung für Entwicklungsländer bis 2035 auf 300 Milliarden Dollar pro Jahr erhöhen sollen. Dieses Ergebnis entspricht jedoch bei Weitem nicht den Forderungen der Entwicklungsländer: Sie hatten, gestützt durch wissenschaftliche Untersuchungen, einen Gesamtbetrag von 1,3 Billionen Dollar jährlich bis 2035 gefordert. „Somit bleibt unklar, wie die Entwicklungsländer ihre nationalen Klimaziele erreichen und in die Möglichkeit versetzt werden sollen, sich besser an den Klimawandel anzupassen zu können,“ erklärt Carsten Elsner, Researcher im Forschungsbereich Internationale Klimapolitik am Wuppertal Institut. Dafür ist wichtig, dass finanzstarke Schwellenländer wie China und die arabischen Staaten, die neben den klassischen Industrieländern signifikant zum Klimawandel beitragen, einen adäquaten Beitrag leisten. Positiv aus Baku mitzunehmen ist, dass sie ihre Fundamentalopposition gegenüber der Beteiligung am Klimafinanzierungsziel aufgegeben zu haben scheinen.

„Nicht nur die Höhe der zugesagten Mittel ist weiterhin unzureichend, sondern auch die Qualität der Klimafinanzierung, denn alle Finanzierungsquellen werden zum neuen Ziel hinzugerechnet,“ ergänzt Elsner, und führt aus: „Es ist zu erwarten, dass der Hauptteil der Klimafinanzierung weiterhin in Form von Krediten gezahlt wird. Die ärmsten und am meisten vom Klimawandel betroffenen Staaten benötigen angesichts ihrer teilweise schon hohen Verschuldungsraten aber vor allem Zuschüsse, statt weiterer Kredite.“ Dementsprechend fällt das nun in Baku beschlossene NCQG nicht nur deutlich zu niedrig aus, es fehlen auch verbindliche Mindestvorgaben für die Anteile von Zuschüssen, respektive Obergrenzen für den Anteil von Krediten. Zudem wäre eine klarere Priorisierung nötig gewesen, die sicherstellt, dass die Mittel insbesondere den ärmsten und vulnerabelsten Staaten zugutekommen. Darüber hinaus bleibt auch die inhaltliche Verteilung der Mittel problematisch: Bisher sind deutlich mehr Mittel in Emissionsminderungen geflossen, obwohl im Übereinkommen von Paris eine Gleichverteilung zwischen der Vermeidung von Emissionen und der Anpassung an den Klimawandel angestrebt wird. Angesichts der immer stärker auftretenden Klimawandelfolgen fehlt ein verbindlicher Mechanismus, der die Staaten verpflichtet, dieses Ziel auch tatsächlich zu erreichen.

Das Ergebnis der COP29 hat somit gezeigt, dass diejenigen Staaten, die am meisten zur Erderwärmung beigetragen haben, weiterhin nicht vollumfänglich für den von ihnen verursachten Klimawandel aufkommen wollen. Stattdessen wurde die Verhandlungslast auf die zukünftigen Konferenzen verschoben – ein höchst unbefriedigender Zustand für die Millionen von Menschen, die bereits heute unter den Auswirkungen der Klimakrise leiden.

Keine Erwähnung des Strukturwandels

Auf der Konferenz wurden auch keine weiteren Leitlinien für die Überarbeitung der nationalen Klimaschutzbeiträge (Nationally Determined Contributions, NDCs) festgelegt. Bis Februar 2025 müssen die Staaten nach den Vorgaben des Pariser Klimaschutzabkommens ambitioniertere Ziele formulieren, dafür hat es von der COP29 keinen Rückenwind gegeben. Saudi-Arabien und andere Länder blockierten vielmehr erfolgreich alle Versuche, auf den Energiewende-Ergebnissen der COP28 in Dubai weiter aufzubauen. Insbesondere blieb eine kraftvolle Bestätigung der in Dubai erreichten Verständigung darauf aus, dass es für den Klimaschutz dringend einer schrittweisen Abkehr von fossilen Energieträgern bedarf („transitioning away from fossil fuels“).

Insgesamt hat die COP29 einmal mehr gezeigt, dass die größten Hindernisse für den Klimaschutz nicht technischer und wirtschaftlicher, sondern politischer und institutioneller Natur sind: Zwar werden erneuerbare Energien und Elektromobilität zunehmend wettbewerbsfähig und ihr Ausbau beschleunigt sich rasant – doch gerade der Erfolg der Energiewende führt zu einer massiven Gegenreaktion der Interessenvertreter*innen fossiler Brennstoffe, die ihre Absatzmärkte davonschwimmen sehen. In Baku hat diese Gegenbewegung die Umsetzung der Ergebnisse der Konferenz in Dubai erfolgreich ausgebremst. Dies ist ein Rückschritt für den globalen Klimaschutz und nicht zuletzt auf das Konsensprinzip der Klimaverhandlungen zurückzuführen. Mehr als zuvor ist es daher notwendig, darüber nachzudenken, ob es für wirkliche Fortschritte beim globalen Klimaschutz ein beherztes Vorgehen einer „Koalition der Willigen“ bedarf.

Trotz aller Widerstände, die in Baku wieder zutage traten: Der Trend zu klimafreundlicheren Technologien wird sich fortsetzen, schon aus rein ökonomischen Gründen. Die jährlichen Rekordmeldungen über die Ausbauzahlen erneuerbarer Energien stimmen hier optimistisch. Und man kann davon ausgehen, dass die brasilianische Konferenzpräsidentschaft im nächsten Jahr engagierter und erfolgreicher als die aserbaidschanische Präsidentschaft in der Lage sein wird, die reale Transformationsdynamik in ein erfolgreicheres COP-Ergebnis umzumünzen.

Key Messages des Wuppertal-Instituts

Finanzierung war das wichtigste fehlende Element im Ergebnis des Global Stocktake (GST). Es ist klar, dass viele Länder des globalen Südens erhebliche Unterstützung benötigen, um die GST-Ergebnisse in Bezug auf Anpassung und Minderung umzusetzen und mit Verlusten und Schäden umzugehen. Die COP29 hat jedoch nicht den erforderlichen Ehrgeiz und die erforderliche Gerechtigkeit in Bezug auf die Finanzierung erreicht. Die Vereinbarung der Industrieländer, ihre Klimafinanzierung bis 2035 auf 300 Milliarden Dollar pro Jahr zu erhöhen, bleibt aufgrund der mangelnden Bereitschaft der Industrieländer weit hinter dem tatsächlichen Finanzierungsbedarf zurück.

  • Auch hinsichtlich der Minderung der Treibhausgasemissionen konnte die Konferenz nicht auf den Ergebnissen der GST aufbauen. Alle Versuche, im ‘UAE-Dialog’, im Dialogprozess darüber, wie die Ergebnisse der GST die NDCs beeinflussen, im Arbeitsprogramm zur Minderung der Treibhausgasemissionen oder über zusätzliche Aspekte für künftige NDCs ernsthaft über die Umsetzung zu sprechen, wurden von blockierenden Entwicklungsländern der like-minded developing countries (LMDC)s, der Arabischen Gruppe und teilweise auch der Afrikanischen Gruppe, im Keim erstickt.
  • Die Verhandlungen über einen gerechten Übergang (‘just transition’) waren mit ähnlichen Problemen konfrontiert wie andere Arbeitsprogramme in Baku. Dazu gehören eine starke Verknüpfung mit Fragen der internationalen Klimafinanzierung, unterschiedliche Ansichten über die Integration der GST-Ergebnisse, die Rolle der Minderungen im Vergleich zu anderen Aspekten des Klimawandels, die Notwendigkeit einer Abkehr von fossilen Brennstoffen und das Bedürfnis nach internationalen Leitlinien für nationale Klimaschutzmaßnahmen. Angesichts unterschiedlicher Auffassungen über eine just transition in Industrie- und Entwicklungsländern sowie mangelnder Verfahrenseffizienz und Fairness seitens der COP-Präsidentschaft konnten die Verhandlungen über einen gerechten Übergang zu keinem Ergebnis führen.
  • Für die COP-Präsidentschaft hatte die Fertigstellung des Artikel 6-Regelwerks für marktbasierte Kooperation oberste Priorität. Ein wichtiger Schritt zur Operationalisierung des Paris Agreement Crediting Mechanism unter Art. 6.4 des Pariser Abkommens wurde erreicht, indem die Verabschiedung von zwei Standards, die zuvor vom Aufsichtsgremium des Mechanismus’ entwickelt worden waren, von der Konferenzleitung am ersten Tag der Verhandlungen hastig durchgebracht wurde. Zwar sind weitere Arbeiten erforderlich, insbesondere am Standard für CO2-Entnahmen, aber das Rahmenwerk von Art. 6.4 besitzt das Potenzial, eine vielversprechende Grundlage für Kohlenstoffmarktaktivitäten zu schaffen und die derzeit niedrige Messlatte auf den Kohlenstoffmärkten anzuheben.
  • Für Kooperative Ansätze unter Artikel 6.2 des Pariser Abkommens zeichnet der in Baku gefasste Beschluss ein deutlich trüberes Bild. Den Vertragsstaaten wird ein erheblicher Spielraum bei der Ausgestaltung und Nutzung Kooperativer Ansätze eingeräumt, während die internationale Aufsicht begrenzt ist. Auch sehen die vereinbarten Regeln keine klaren Konsequenzen für Vertragsstaaten vor, welche die Anforderungen der in Glasgow verabschiedeten Artikel 6.2 Guidance nicht erfüllen. Angesichts begrenzter Kontrollmechanismen müssen die Zivilgesellschaft und die Wissenschaft eine Rolle als Wächter der marktbasierten Zusammenarbeit übernehmen. Die verschärften Berichterstattungspflichten für die Vertragsstaaten bieten hierfür grundsätzlich die Grundlage. Doch es bleibt abzuwarten, ob die abschreckende Wirkung von Reputationsrisiken ausreicht, um zu verhindern, dass die Vertragsstaaten durch die Nutzung von Artikel 6.2 die Ziele des Pariser Abkommens gefährden.
  • Zum Globalen Anpassungsziel wurde zur Halbzeit des zweijährigen VAE-Belem Arbeitsprogramms zum VAE Rahmenwerk insbesondere die Frage, mit welchen Indikatoren die Ziele des Rahmenwerks konkretisiert werden können, kontrovers verhandelt; insbesondere, ob Indikatoren für Finanzmittel für Anpassung berücksichtigt werden sollen. Die Entscheidung enthielt schließlich unter anderem eine Aufforderung, sich im zweiten Jahr des Arbeitsprogramms auf eine überschaubare Anzahl von Indikatoren (100) festzulegen und bestätigte, dass CMA 7 über eine endgültige Liste von Indikatoren entscheiden würde. Weiterhin wurde der „Baku-Anpassungsfahrplan“ ins Leben gerufen, um das globale Anpassungsziel als Tagesordnungspunkt auf zukünftigen COPs zu etablieren.
  • Bezogen auf die Verhandlungen zu Verlusten und Schäden war die vollständige Operationalisierung des “Fonds zur Bewältigung von Verlusten und Schäden” sicherlich ein Erfolg, aber nach der enthusiastischen Annahme des Fonds auf der COP28, gab es große Hoffnungen, dass auf COP 29 weitere neue Zusagen gemacht würden. Die vollständige Operationalisierung als „Durchbruch von Baku“ zu bezeichnen, erscheint übertrieben, nicht zuletzt, weil Baku weder die Zusagen für den Fonds erhöht noch eine klarere Beziehung zum neuen Finanzierungsziel (NCQG) hergestellt hat.
  • Obwohl eine Minderheit ultrakonservativer Vertragsstaaten, darunter der Vatikan und der Iran, die Verhandlungen zu Genderfragen blockierte, weil sie die Bezugnahme auf „Gender“ und „Vielfalt“ in Frage stellten, beschloss die COP29, das erweiterte Lima-Arbeitsprogramm zu Genderfragen um zehn Jahre zu verlängern.

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