Neue Untersuchungen
Jahrzehntelang senkte der Wald als CO2-Speicher die deutschen Gesamtemissionen. Damit ist nun laut offiziellen Daten Schluss. Der Wald leidet unter Stress und fällt als Klimaschützer in weiten Teilen aus. Eine Untersuchung des Umweltbundesamts zur Modellierung der THG-Bilanz der lebenden Bäume im Mit-Maßnahmen-Szenario (MMS) belegt Projektionen des Thünen-Instituts. Der Wald und die Landwirtschaft in Deutschland werden in den nächsten Jahrzehnten wohl deutlich weniger zum Klimaschutz beitragen können als geplant. Die CO2-Speicherfähigkeit des Sektors Landnutzung (LULUCF) hat sich in den letzten Jahren stark reduziert und ist nun praktisch verschwunden. In den nächsten Jahren bis 2030 rechnen Experten im Gegenteil damit, dass der Sektor mehr Treibhausgase ausstößt als er einlagert – dass er also von einer CO2-Senke zu einer CO2-Quelle wird.
CO2-Einbindung lebender Bäume im Wald wird durch ein komplexes Zusammenspiel von Faktoren bestimmt: dem Zuwachs der Waldbestände, natürliche Störungen wie Stürme, Trockenheit und Käferkalamitäten sowie die Intensität der Holzentnahme. Für die Projektionen der nationalen Treibhausgasemissionen im Waldsektor kommt das Matrixmodell des Thünen-Instituts zum Einsatz. Dieser Kurzbericht präsentiert vergleichende Ergebnisse der Waldmodellierung mit dem Modell FABio-Forest des Öko-Instituts und Sensitivitätsanalysen zu natürlichen Störungen.
Die Ergebnisse beider Modelle weisen nur geringfügige Abweichungen auf, die vermutlich eher auf unterschiedliche Annahmen zur Waldbewirtschaftung als methodische Differenzen zwischen beiden Modellen zurückzuführen sind. Die Sensitivitätsanalysen mit FABio-Forest zu variierenden Störungsintensitäten zeigen, dass störungsbedingte Unterschiede in der THG-Bilanz lebender Bestände 20-35 Mio. t CO2 betragen können. Dieser modellierte Effekt übertrifft die Abweichungen zwischen den beiden Waldmodellen deutlich. Für künftige Projektionen der nationalen Treibhausgasemissionen empfiehlt es sich daher, die Unsicherheiten bezüglich natürlicher Störungen im Wald explizit auszuweisen.
Die aktuellen Projektionsdaten zu den Treibhausgasemissionen zeigen, dass der Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) in der Summe erheblich weniger Kohlendioxid aufnimmt als bisher angenommen. Die Projektionsdaten 2024 zeigen, dass der Sektor auch künftig in vielen Jahren eine Treibhausgasquelle bleibt. Bei Umsetzung beschlossener Maßnahmen wird in den Jahren von 2027 bis 2030 eine geringe Netto-Einbindung von 0,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent erwartet. Das Ziel einer Netto-Einbindung von 25 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent wird deutlich verfehlt.
Noch im Projektionsbericht 2023 wurde davon ausgegangen, dass der LULUCF-Sektor eine Senke ist, also mehr Kohlendioxid einbindet als freisetzt. Für den Mittelwert der Jahre 2027 bis 2030 wurde im Mit-Maßnahmen-Szenario eine Netto-Einbindung von 16,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent erwartet. Das Ziel für die Netto-Einbindung wäre den alten Projektionsdaten zufolge ebenfalls verfehlt worden, aber mit deutlich geringerem Abstand.
Im Klimaschutzgesetz wird dem Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) eine besondere Rolle zugewiesen: Als einziger Sektor enthält er auch Senken, nicht nur Quellen von Treibhausgasen. In Deutschland stehen der Einbindung von Kohlendioxid in Waldökosystemen die hohen Emissionen vor allem aus entwässerten organischen Böden gegenüber, so dass sich derzeit in der Summe eine leichte Quelle von Treibhausgasemissionen ergibt. In der Vergangenheit war der Sektor hingegen oft eine bedeutende Senke für Treibhausgase, das heißt, es wurde mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre gebunden als freigesetzt.
In Deutschland sind aktuell rund fünf Milliarden Tonnen organischer Kohlenstoff in der Vegetation und in Böden von landwirtschaftlich genutzten Flächen und Wäldern gebunden. Das entspricht etwa 18,3 Milliarden Tonnen Kohlendioxid. Zum Vergleich: Eine solche Menge Kohlendioxid hat Deutschland in den 23 Jahren von 2000 bis 2022 emittiert. Deswegen haben Land- und Forstwirtschaft eine hohe Verantwortung, die großen, in Boden und Vegetation gespeicherten Kohlenstoffmengen durch eine nachhaltige Nutzung zu sichern und, wo möglich, zu mehren.
Durch die im Sektor mögliche Senkenleistung sollen Emissionen in anderen Sektoren wie der Landwirtschaft, deren Emissionen zum Teil unvermeidbar sind, kompensiert werden. Im Klimaschutzgesetz ist für den Sektor LULUCF festgelegt, dass im Mittelwert der Jahre 2027 bis 2030 im Saldo 25 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalent (CO2-Äquivalent) pro Jahr eingebunden werden sollen. Im Mittelwert der Jahre 2037 bis 2040 liegt der Zielwert für die Netto-Einbindung bei 35 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr, für den Zeitraum von 2042 bis 2045 bei 40 Millionen Tonnen.
Im Vergleich zum Projektionsbericht 2023 werden in den aktuellen Berechnungen, wie durch die europäischen Richtlinien gefordert, auch die Methanemissionen aus künstlichen fließenden und stehenden Gewässern (z.B. Entwässerungsgräben, Fischteiche und Talsperren) berücksichtigt. Das ergibt einen Effekt von ca. 4,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent.
Die Dürre in den vergangenen Jahren hat großflächig Wald absterben lassen, dessen Kohlenstoffaufnahme damit insgesamt deutlich zurückgegangen ist. Diese Effekte werden durch verbesserte Datengrundlagen und Methoden zunehmend in den Treibhausgasinventaren sichtbar. Kohlenstoffinventuren im Wald finden etwa alle fünf Jahre statt. Endgültige Ergebnisse für den Zeitraum seit der Dürre im Jahr 2018 werden erst im vierten Quartal 2024 vorliegen.
Die aktuelle Entwicklung im Sektor LULUCF passt nicht zu den Klimazielen. Die Ziele für 2030 werden deutlich verfehlt. Hinzu kommt, dass für einige im Grundsatz bereits beschlossene Klimaschutzmaßnahmen nach wie vor die konkrete Umsetzung fehlt. Selbst bei einer beschleunigten Umsetzung könnten sie bis 2030 keine hohe Wirkung entfalten, denn viele der Maßnahmen im Bereich Landnutzung und Wald zeigen erst sehr langfristig Erfolge. Im LULUCF-Sektor muss der Fokus auf langfristig wirkende Maßnahmen gerichtet werden, ihre Umsetzung muss aber schneller und in größerem Maßstab erfolgen als in der Vergangenheit.
- Moore wiederzuvernässen ist die wirksamste Maßnahme, um Emissionen zu vermeiden: Nach Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Klimaschutz durch Moorbodenschutz und gemäß Moorschutzstrategie sollen bis 2030 jährlich fünf Millionen Tonnen CO2-Äquivalent eingespart werden. Die Wiedervernässung von Mooren ist eine komplexe und langfristige Aufgabe, aber das Potenzial liegt deutlich höher als die bisher avisierten fünf Millionen Tonnen CO2-Äquivalent.
- Mit dem Ausstieg aus dem Torfabbau und aus der Torfverwendung in Blumenerden und Kultursubstraten lassen sich ebenfalls erhebliche Mengen an CO2-Emissionen vermeiden.
- Die Wälder, die durch Dürre und den damit zusammenhängenden Borkenkäferbefall geschädigt wurden, müssen zügig wieder aufgeforstet werden. Es sollten schnell wachsende, standortangepasste und gegen den Klimawandel resiliente Baumarten verwendet werden. So kann die Senkenleistung der Wälder langfristig verbessert oder sogar wiederhergestellt werden.
- Wo möglich, sollte zusätzlicher Wald neu angelegt werden. Auch in neu gepflanzten Hecken und anderen Agrargehölzen kann schnell eine erhebliche Menge Kohlenstoff aus Kohlendioxid eingebunden werden.
- Die Potenziale zur Erhöhung des Holzproduktespeichers sollten ausgenutzt werden, z.B. durch die Umsetzung der Holzbauinitiative.
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