CCU/CCS: BDI und NGO ziehen an einem Strang

CO2-Abscheidung und Verwendung vorrangig

Einige der einflussreichsten deutschen Wirtschaftsverbände und Nichtregierungsorganisationen haben sich zusammengeschlossen und fordern Berlin auf, rasch eine CO2-Management-Strategie zu beschließen, um den Wandel in Gang zu bringen, schreibt Nikolaus J. Kurmayer am 10.01.2024 auf Euractiv.com. Während die Europäische Kommission ihre CO2-Management-Strategie für die Veröffentlichung am 06.02.2024 vorbereitet, drängen sie die Bundesregierung, eine eigene zu veröffentlichen – und sich damit in die EU-Debatte einzubringen.

CO2 – Montage © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

„Die Klimastrategie muss jetzt schnell veröffentlicht werden. Ohne sie gibt es keine Klarheit über die Rolle von CCS und CCU in Deutschland“, sagte Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer am 10.01.2024. Gemeinsam mit NABU und WWF sowie dem DGB hat der BDI einen gemeinsamen Appell für eine deutsche Klimaschutzstrategie veröffentlicht.

„Wir fordern die Bundesregierung auf, eine Klimaschutzstrategie vorzulegen, die strenge Qualitätskriterien erfüllt, Klarheit schafft und zum Mitmachen anregt“, erklärte Vivianne Raddatz, Leiterin des Berliner Büros von WWF. Mit ihrer gemeinsamen Position – diese Gruppen ziehen selten an einem Strang – wollen sie eine Basis schaffen um den Diskussionsprozess zu beschleunigen: „Wir stehen hinter dem Prinzip CO2-Vermeidung und Reduktion vor Abscheidung“, argumentieren sie. Damit wollen sie Bedenken zerstreuen, dass die CO2-Abscheidung und -Speicherung als Deckmantel für fehlende Klimaschutzmaßnahmen benutzt wird.

Das Umweltbundesamt (UBA) rät in einem neuen Positions-Papier dazu, das Abscheiden und Speichern von CO2 (kurz CCS, für Englisch „Carbon Capture and Storage“) in der Abfallwirtschaft zu erproben. UBA-Präsident Dirk Messner sagte: „Wir brauchen CCS vor allem im globalen Maßstab. CCS ist aber kein Allheilmittel für den Klimaschutz. Wenn wir es nicht schaffen, von den fossilen Energieträgern wegzukommen, wird uns CCS nichts nützen. Wir haben in Deutschland viel zu wenig Speicher, um das Kohlendioxid sicher für Mensch und Klima zu speichern. Nur bei wirklich unvermeidbaren CO2-Emissionen sollten wir CCS nutzen.“ Das UBA schlägt daher vor, die Technik zunächst in Müllverbrennungsanlagen zu testen, in denen aus nicht recycelbarem Abfall Wärme und Strom erzeugt wird, aber auch CO2 anfällt. So könnten erste Erfahrungen mit der Technik gesammelt und Umweltrisiken beurteilt werden. (umweltbundesamt.de/co2-speicherung-darf-ausstieg-aus-fossilen-energien)

Die Strategie für das CO2-Management solle sicherstellen, dass Elektrifizierung, Energieeffizienz, Erneuerbare Energien, Kreislauf- und Wasserstoffwirtschaft sowie die Förderung natürlicher CO2-Senken „durch den Einsatz von CCS und CCU nicht ausgebremst werden“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Das Bündnis fordert, CCS und CCU „prioritär“ einszusetzen, und das abgeschiedene CO2 eher zu verwenden als zu speichern, und zwar in Sektoren, in denen die derzeitige Technologie keine Emissionsminderung zulässt. Außerdem fordern sie „öffentliche Mittel […] um private Investitionen auszulösen.“

Viele dieser Punkte waren zuvor unter Umweltgruppen und der Industrie umstritten. Aber „die Zeit drängt“, argumentieren sie nun, da Brüssel seiner europäischen CO2-Management-Strategie den letzten Schliff verleiht. „Wir fordern eine enge Abstimmung zwischen Berlin und Brüssel bei der Ausgestaltung der politischen Rahmenbedingungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette“, heißt es. Die öffentlichen Konsultationen für die deutsche Strategie beginnen im März 2024. „Die Arbeiten sind bereits weit fortgeschritten und werden mit Hochdruck vorangetrieben“, sagte ein BMWK-Sprecher gegenüber Euractiv.

Doch die deutsche Strategie, sobald sie vorliegt, werde nur ein erster Schritt in diesem Prozess sein, stellt der BDI fest. „Erst dann, so das BMWK, werden die rechtlichen Rahmenbedingungen so angepasst, dass CCS und CCU tatsächlich genutzt werden können – das dürfte wieder lange dauern“, so Lösch vom BDI.

Änderung der Perspektive

Die CO2-Abscheidung und -Speicherung ist unter Umweltaktivisten eine umstrittene Technologie, da sie befürchten, dass sie als Vorwand für die weitere Verbrennung fossiler Brennstoffe genutzt werden könnte. Doch das Blatt begann sich zu wenden, als die Wissenschaftler des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) begannen, die Notwendigkeit von CCS verstärkt zu betonen. „Der Zwischenstaatliche Ausschusses für Klimaänderungen, die Internationale Energieagentur (IEA) und zahlreiche wissenschaftliche Studien betonen die Notwendigkeit von CCS und CCU für den Klimaschutz“, so Lösch. Die Diskussion über CCS und CCU muss laut dem Papier wieder“auf wissenschaftlichen Szenarien basieren.“

Raddatz vom WWF, die kürzlich vor einem übermäßigen Vertrauen auf CCS als Lösung zur Eindämmung der globalen Erwärmung gewarnt hat, sagte: „Erfolgreiches Überleben erfordert Veränderung statt Stagnation.“ Politisch ist der Weg nun frei. Die Grünen, die früher die schärfsten Gegner der Technologie waren, signalisierten Ende 2023 eine Änderung ihrer Haltung, indem sie sich in ihrem Wahlprogramm für die Europawahl 2024 für CCS aussprachen. Die Mitunterzeichnung des Papiers durch den DGB signalisiert, dass auch die Sozialdemokraten mit an Bord sind.

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