Reise in den Untergrund

Ein Buch über eine unbekannte Gegend: Die Welt unter unseren Schuhen – eine Bodenkunde

Peter Laufmann nimmt die Leser mit in die Tiefe: Wenige Zentimeter von unserer Schuhsohle entfernt beginnt ein Kosmos, der fremdartig ist „wie eine verschlossene Kapsel, mit einzigartigem Klima und geheimnisvollen Bewohnern“. Es sei mehr Leben unter einem Fuß, der auf einer Wiese steht, als es Menschen auf unserem Planeten gebe. Und Laufmann belegt seine Behauptung. „Der Boden – das Universum unter unseren Füßen“ ist ein im klassischen Sinn „spannendes“, gelegentlich humorvolles Buch – das zum Beispiel enthüllt, dass es am Feldberg im Schwarzwald einen Regenwurm gibt, der so lang wie ein Unterarm wird, und der für seine Nachkommenschaft sorgt.

Doch zurück zur Aufzählung des Lebens: „Steckt man eine Fläche von einem Quadratmeter ab, gräbt 30 Zentimeter rief und zählt geduldig, wer in diesem winzigen Haufen Dreck lebt, braucht man keine weiteren Hobbys.“ Die Regenwürmer seien schnell durchgezählt. Etwa 80 dürften es sein, Schnecken etwa 50, ebenso viele Asseln und Spinnen. Doch Laufmann ist noch lange nicht fertig: „100 Käfer, 300 Hundert- und Tausendfüßer, 100 Zweiflüglerlarven, 10.000 Borstenwürmer. Das war einfach. Jetzt muss man schon genauer hingucken. In unserem Boden treibt sich nämlich noch viel mehr herum: 25.000 Rädertiere, 50.000 Springschwänze, 100.000 Milben und 1.000.000 Fadenwürmer. Nach einer kurzen Pause sollte man sich eine Lupe holen, denn die nächste Kategorie Bodenlebewesen ist noch kleiner; Geißeltierchen zum Beispiel werden nur gut 0,3 Millimeter groß. Das ist gerade noch mit bloßem Auge zu erkennen. Aber das Erfassen der 500.000.000.000 Exemplare ermüdet dann doch auf Dauer. Wer dann noch Kraft und Zeit hat, zählt geschwind die 1.000.000.000.000 Bakterien, 10.000.000.000 Strahlenpilze, 1.000.000.000 Pilze und 1.000.000 Algen. Die Zahlen variieren natürlich…“ räumt der studierte Forstwissenschaftler ein.

Vorstufe des Waldbodens: Biomasse Holz – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Boden sei mehr als nur die Summe seiner Teile: „Man nehme also für einen Kubikmeter Boden 47 Prozent Mineralien, das heißt beispielsweise Silikate und Karbonate, würze das mit 3 Prozent organischem Material, also Pflanzenresten, Tierchen, Pilzhyphen, dazu reichlich 25 Prozent Wasser, und lasse in dem Würfel 25 Prozent Luft drin. Haben Sie jetzt einen Boden? Mitnichten. Sie haben die richtigen Zutaten, aber diese sind ohne Leben vermengt.“

Kein Zweifel, wir Menschen treten den Boden in der Regel mit Füßen. Irgendwie hat das aber Züge einer gestörten Wahrnehmung und eines schwer verständlichen Verhaltens. Denn wir wissen durchaus, was wir dem Boden zu verdanken haben. Und zeigen es mitunter auch. Erde ist ein wichtiger Bestandteil unserer Folklore.

Es sei aber verständlich: Boden sei für uns heute weit weg und wir hätten die allermeiste Zeit keinen Zugang: Unsere Wohnungen sind schon lange nicht mehr aus gestampftem Lehm, und auf dem Weg ins Büro gehen wir über eine künstliche Versiegelung der Erdkruste. Selbst das Gemüse im Supermarkt scheint ohne Erdreich gewachsen zu sein, so sauber ist es.“

„Geschützte Grünanlage“ genannte Versiegelung in Berlin – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

„Um den Boden können wir ohne Probleme einen Bogen machen“, glauben wir und vergessen dabei, dass jährlich Hunderttausende Tonnen fruchtbaren Bodens verloren gehen. Die wir auch nicht durch Abholzen des Regenwaldes wieder gewinnen können, denn die Humusschicht unter den tropischen Riesen ist nur 2-3 Zentimeter stark.

Aber „ohne Kontakt verlieren wir noch schneller das Gefühl für diesen Quell allen Lebens“, so Laufmann. „Erde ist nicht tot, sie ist kein unbelebtes Ding wie eine Tischplatte, kein homogenes Material wie eine Fliese oder ein Stück Teppich. Sie ist auch nicht nur Schmutz. Sie ist eine dünne Kruste, die Leben spendet. Das vergessen wir heute viel zu schnell.

Tim Haarmann zieht in Spektrum der Wissenschaft ein Resümee: „In zehn Kapiteln bringt Laufmann den Lesern, wie der Titel verspricht, in der Tat ein ganzes Universum näher. Er beginnt seine Schilderung mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Bodens und der Bodenbildung, zeigt, wie der Mensch den Boden beackert und stellt abschließend dar, welchen Gefahren der Boden heutzutage ausgesetzt ist. Die Inhalte des Buchs sind dabei weitestgehend Lehrbuchwissen. Dies schmälert die Lektüre aber nicht, denn dem Autor gelingt es sehr gut, eine runde und spannende Geschichte zu erzählen und das bekannte Wissen gelungen zu bündeln.“

Peter Laufmann – Foto © Annika Heyner, randomhouse

Neben die Theorie (Urgeschichte, Geophysik, Chemie, Wasserhaushalt etc.) und die Beschreibung des Lebensraums treten Porträts derjenigen, die berufsmäßig Bodenkundige sind, etwa Kleingärtner, Bauern und Bauarbeiter. Laufmann zeigt, wie wir vom Boden abhängen, wie verletzlich er ist und wie sich die Menschheit einen Wettlauf um diese wichtige Ressource liefert, aber auch, was wir zu seiner Erhaltung tun können.

Peter Laufmann hat in Göttingen Forstwissenschaften und Publizistik studiert. Er ist Redakteur beim Umweltmagazin natur und hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht.

Peter Laufmann: „Der Boden – Das Universum unter unseren Füßen“, Hardcover mit Schutzumschlag, 192 Seiten, 13,5 x 21,5 cm, 16-seitiger farbiger Bildteil – ISBN: 978-3-570-10406-4, 18,00 [D] inkl. MwSt.

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