Bundesregierung: Gefahren durch Desinformation

Antwort des Auswärtigen Amtes auf eine FDP-Anfrage

Unter dem Begriff „Desinformation“ versteht die Bundesregierung „nachweislich falsche oder irreführende Informationen, die mit dem Ziel der vorsätzlichen Beeinflussung oder Täuschung der Öffentlichkeitverbreitet werden und gegebenenfalls die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich stören können“ – so zitiert der parlamentseigene Pressedienst heute im bundestag aus einer Antwort (19/17073) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/16552). Versuche der Desinformation seien „sowohl in den klassischen Medien wie Fernsehen und Radio als auch im digitalen Bereich“ zu beobachten, die von verschiedenen Akteuren mit unterschiedlichen Zielen ausgehen würden. „Politisch motivierte Desinformation kann die freie Meinungsbildung und den politischen Willensbildungsprozess in illegitimer Weise beeinflussen, indem sie etwa das Vertrauen in staatliche Stellen, die Unabhängigkeit der Medien oder demokratische Prozesse in Deutschland untergräbt. Insofern kann Desinformation die Funktionsweise eines demokratischen Rechtsstaats nachhaltig gefährden“, heißt es in der Antwort wörtlich.

Desinformation werde auf unterschiedlichen Wegen und aus unterschiedlichen, oft politischen oder kommerziellen Gründen, verbreitet. Zu den Quellen zählten, so weiter wörtlich, „unter anderem staatliche Akteure und Medien (Print, TV und Rundfunk), einschließlich des Internets (Nachrichtenseiten, Webportale, Blogs, soziale Netzwerke), außerdem staatlich beeinflusste Think Tanks und eigenständig agierende Akteure. Zu den Mitteln gehörten Falschmeldungen ebenso wie bewusst unvollständige oder verzerrte Tatsachenberichte“. (hib/AHE)

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Benjamin Strasser, Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP– Drucksache 19/16552 – Desinformationskampagnen – Erkenntnisse und Maßnahmen der Bundesregierung

Vorbemerkung der Fragesteller

Bei Desinformation handelt es sich, so die Definition einer Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission und des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD), um „nachweislich falsche oder irreführende Informationen, die mit dem Ziel des wirtschaftlichen Gewinns oder der vorsätzlichen Täuschung der Öffentlichkeit konzipiert, vorgelegt und verbreitet werden und öffentlichen Schaden anrichten können“ (s. www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/europeunited-gegen-desinformation/2170838). Unter „öffentlichem Schaden“ seien in diesem Zusammenhang „Bedrohungen für die demokratischen Prozesse sowie für öffentliche Güter wie die Gesundheit der Unionsbürgerin-nen und Unionsbürger, die Umwelt und die Sicherheit“ zu verstehen (ebd.).

Sie ist dabei von der Fehlinformation abzugrenzen, die durch unabsichtliche Fehler oder Ignoranz entstehen kann (vgl. Schulze, Matthias (2019): Desinformation – Vom Kalten Krieg zum Informationszeitalter. In: Bundeszentrale für politische Bildung: Dossier Digitale Desinformation. S. 6.) Demgegenüber handelt es sich bei Desinformation um eine vorsätzliche Maßnahme, die das Ziel verfolgt „positive Bedeutungsinhalte und innerhalb von Gesellschaften geltende Wahrheiten und Glaubenssätze zu (zer)stören. Desinformation beschränkt sich dabei nicht nur auf Politiker, sondern kann auch Institutionen, Organisationen und ganze Länder betreffen. Oftmals ist es das Ziel, die Legitimität von Institutionen oder Personen zu untergraben, die insbesondere in mehrheitsbasierten, demokratischen Herrschaftssystemen von zentraler Bedeutung sind“ (s. ebd.). Insofern kann gezielte Desinformation eine nachrichtendienstliche Methode sein, den öffentlichen Diskurs in demokratischen Gesellschaften zu beeinflussen.

Als konkretes Beispiel ist der Fall eines im Januar 2016 in Berlin verschwundenen Mädchens zu nennen. Die damals 13-jährige, russischstämmige Lisa wurde durch ihre Angehörigen als vermisst gemeldet. Schon nach kurzer Zeit verbreiteten sich Meldungen, wonach es sich um ein Gewalt- und Sexualdelikt durch Migranten gehandelt habe. Die Gerüchte wurden auch durch russische Medien aufgegriffen und in der russischsprachigen Bevölkerung verbreitet, obwohl die Berliner Polizeibehörden diese deutlich dementierten (vgl. www.spiegel.de/politik/ausland/berlin-lawrow-zu-angeblicher-vergewaltigung-von-13-jaehriger-a-1073933.html). Auch der russische Außenminister Sergej Law-row hatte die Vorwürfe seinerzeit aufgegriffen und vor Vertuschung durch deutsche Behörden gewarnt (vgl. ebd.). Das Mädchen hatte sich in der Zeit seines Verschwindens allerdings bei einem Bekannten aufgehalten (vgl. www.spiegel.de/politik/deutschland/berlin-angeblich-vergewaltigte-13-jaehrige-war-bei-bekanntem-a-1074642.html). Die Bundesregierung hat den Fall Medien-berichten zufolge als „systematischen Versuch Moskaus gewertet, die Glaubwürdigkeit Deutschlands und von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu beschädigen“ (s. https://www.morgenpost.de/politik/article206995901/Das-Spiel-mit-Desinformationen.html).

1. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff der „Desinformation“ bzw. „Desinformationskampagnen“?

Der Begriff „Desinformation“ bezeichnet nachweislich falsche oder irreführende Informationen, die mit dem Ziel der vorsätzlichen Beeinflussung oder Täuschung der Öffentlichkeit verbreitet werden und gegebenenfalls die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich stören können. Der Begriff „Desinformationskampagnen“ als solcher wird von der Bundesregierung nicht näher definiert, da er im Umgang mit der Thematik üblicherweise nicht verwendet wird.

2. Sind Desinformationskampagnen aus Sicht der Bundesregierung eine Bedrohung für die demokratischen Strukturen in Deutschland, und wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung?

Zur Frage der Definition des Begriffs „Desinformationskampagnen“ wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Die Bundesregierung beobachtet Versuche der Desinformation sowohl in den klassischen Medien wie Fernsehen und Radio als auch im digitalen Bereich. Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 2 der Kleinen Anfrage der Fraktion der AfD (Bundestagsdrucksache 19/1262 vom 19. März 2018) wird insofern verwiesen. Diese Versuche gehen von verschiedenen Akteuren mit unterschiedlichen Zielen aus. Politisch motivierte Desinformation kann die freie Meinungsbildung und den politischen Willensbildungsprozess in illegitimer Weise beeinflussen, indem sie z. B. das Vertrauen in staatliche Stellen, die Unabhängigkeit der Medien oder demokratische Prozesse in Deutschland unter-gräbt. Insofern kann Desinformation die Funktionsweise eines demokratischen Rechtsstaats nachhaltig gefährden.

3. Welche konkreten Erscheinungsformen der Desinformation bzw. von Desinformationskampagnen sind der Bundesregierung bzw. den ihr nach-geordneten Behörden bekannt?

Desinformation wird auf unterschiedlichen Wegen und aus unterschiedlichen, oft politischen oder kommerziellen Gründen, verbreitet. Zu den Quellen zählen unter anderem staatliche Akteure und Medien (Print, TV und Rundfunk), einschließlich des Internets (Nachrichtenseiten, Webportale, Blogs, soziale Netzwerke), außerdem staatlich beeinflusste Think Tanks und eigenständig agieren-de Akteure. Zu den Mitteln gehören Falschmeldungen ebenso wie bewusst unvollständige oder verzerrte Tatsachenberichte.

4. Werden nach Erkenntnissen der Bundesregierung Desinformationskam-pagnen durch ausländische Staaten als nachrichtendienstliches Mittel bzw. nachrichtendienstliche Methode eingesetzt?

Es ist nach Ansicht der Bundesregierung davon auszugehen, dass andere Staaten im Rahmen eines ganzheitlichen Vorgehens gegen Deutschland auch ihre Nachrichtendienste in entsprechende Aktivitäten staatlicher Stellen und staatlich gesteuerter Einrichtungen einbinden. Eine nachrichtendienstliche Komponente muss einer Desinformation allerdings nicht zwingend zu Grunde liegen.

5. Welche Rolle spielen nach Kenntnis der Bundesregierung technische Mittel (Einsatz sog. Bots, Hacking etc.) bei der Umsetzung von Desinformationskampagnen?

Moderne Formen der Kommunikation und Interaktion (z. B. Videoplattformen, Instant Messaging, soziale Netzwerke, Foren) sowie neue Strategieformen (z. B. Einsatz von Bots, Trolling) können effiziente und wirkmächtige Instrumente sein, die es ermöglichen, mit geringem Ressourcenaufwand eine größtmögliche Wirkung zu entfalten. Dadurch kann die Wirkung entsprechender Aktivitäten im Einzelfall erheblich verstärkt werden. Virulent könnte hierbei ins-besondere die Verbreitung von Desinformation, z. B. durch koordinierte Troll-Aktionen in den sozialen Netzwerken sein.

6. Hat die Bundesregierung seit dem Jahr 2010 Fälle von Desinformation in Deutschland bzw. mit deutschen Bezügen festgestellt, die aus dem Ausland gesteuert wurden?
a)Wenn ja, wie viele Fälle hat sie in welchen Jahren festgestellt (bitte aufschlüsseln)?

Die Fragen 6 und 6a werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung führt keine Auflistung einzelner Fälle von Desinformation. Vielmehr wird das Phänomen Desinformation als Ganzes untersucht, um Strukturen, Funktionsweise und Hintergründe zu analysieren. Die „East StratCom Task Force“ des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) stellt auf der Website www.euvsdisinfo.eu/ Daten zur Verfügung, das „European Centre of Excellence for Counte-ring Hybrid Threats“ (Hybrid CoE) erstellt datenbasierte Analysen.

Aufgrund der verdeckten Vorgehensweise handelnder Akteure kann eine unmittelbare staatliche Steuerung von Desinformationsaktivitäten in der Regel nicht belegt werden. Oftmals kann lediglich der Beweis erbracht werden, dass es sich bei einem Sachverhalt um Desinformation handelt, ohne dass eine Aussage über die genaue Herkunft getroffen werden kann. Hinsichtlich des Inhalts, der Wirkung und Zielrichtung liegen häufig Hinweise vor, die auf eine ausländische Urheberschaft hindeuten.

b) Erkennt die Bundesregierung dabei eine Häufung um bestimmte Ereignisse (beispielsweise Wahlen)?

Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, die auf eine besondere Häufung im Sinne der Fragestellung hindeuten.

c)In wie vielen Fällen konnte sie in welchen Jahren eine nachrichtendienstliche Beteiligung erkennen?

Auf die Antwort zu Frage 6a wird verwiesen.

7. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, bei denen es zu gezielten Angriffen auf informationstechnische Systeme mit dem Ziel der Desinformation gekommen ist, und wenn ja, welche Fälle sind dies?

Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor.

8. In wie vielen Fällen wurden seit dem Jahr 2000 Desinformationskampagnen grundsätzlich oder anlassbezogen in Gremien und Sitzungen im Bundeskanzleramt, im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, im Bundesministerium der Verteidigung sowie im Bundesnachrichtendienst, im Bundesamt für Verfassungsschutz, im Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst, im Bundeskriminalamt sowie beim Generalbundesanwalt thematisiert (bitte jeweils Fälle, Jahre, Anlass und Behörde nennen)?

Zum Begriff „Desinformationskampagnen“ wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen.
Die betroffenen Ressorts und Behörden beschäftigen sich seit Jahren intensiv mit dem Thema Desinformation als Mittel der ausländischen Einflussnahme. Eine lückenlose Auflistung der relevanten Gremien und Sitzungen über die letzten zwanzig Jahre, in denen das Thema allgemein oder bezogen auf mögli-che konkrete Fälle besprochen wurde, kann jedoch nicht gewährleistet werden, da keine einheitliche Übersicht aller in Bezug auf das Thema Desinformation einschlägiger Besprechungen vorliegt. Eine weitergehende Beantwortung der Frage kann wegen des unzumutbaren Aufwandes, der mit der Beantwortung im Sinne einer händischen Auswertung des gesamten relevanten Aktenbestandes verbunden wäre, nicht erfolgen. Hierzu wird auch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2017, 2 BvE 2/11, Rz. 249, verwiesen.
In der jüngeren Vergangenheit wurde das Thema „Desinformation“ regelmäßig unter anderem in der 2018 gegründeten ressortübergreifenden „Arbeitsgruppe zur Strategischen Koordination des Umgangs mit Hybriden Bedrohungen“ und in assoziierten Expertengruppen besprochen. Auf die Vorbemerkung zu 2. der Bundesregierung zur Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Bundestagsdrucksache 19/12489 vom 19. August 2019) wirdin diesem Zusammenhang verwiesen. Auf EU-Ebene gibt es seit dem 1. September 2015 im Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) eine „East StratCom Task Force“, seit dem 1. Juni 2017 eine „StratCom Task Force South“ sowieseit dem 1. Juli 2017 eine „Western Balkans StratCom Task Force“. Diese sindim Referat für strategische Kommunikation angesiedelt. Darüber hinaus dient das „European Centre of Excellence for Countering Hybrid Threats“ (Hybrid CoE) als Netzwerk für den EU-NATO-Austausch.

9. Welche Organisationseinheiten (Abteilungen, Referatsgruppen, Referate etc.) beschäftigen sich in welchen Bundesministerien bzw. nachgeordneten Behörden mit dem Phänomen der Desinformation bzw. Desinformati-onskampagnen, und wann wurden diese jeweils eingerichtet (bitte auf-schlüsseln)?

  • Im Auswärtigen Amt beschäftigt sich die Steuerungsgruppe Strategische Kommunikation in der Abteilung für Kultur und Kommunikation mit dem Phänomen Desinformation.
  • Das Bundesministerium des Innern (BMI) beschäftigt sich mit Desinformation insbesondere im Rahmen seiner federführenden Zuständigkeit für das Thema „hybride Bedrohungen“ sowie unter dem Blickwinkel der Spionageabwehr mit einschlägigen nachrichtendienstlich bzw. staatlich gesteuerten Aktivitäten fremder Staaten.
  • Das Bundeskanzleramt befasst sich im Rahmen seiner Aufgaben mit dem Themenkomplex hybride Bedrohungen und betrachtet hierbei unter anderem das Thema „Desinformation“.
  • Im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) beschäftigt sich die für die Verbraucherpolitik in der Informationsgesellschaft zuständige Arbeitseinheit mit dem Thema Desinformation.
  • Im Bundesministerium der Finanzen (BMF) befassen sich die Referate der Unterabteilung L C (Kommunikation, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) damit, wie Desinformation entgegengewirkt werden kann.
  • Im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) tauscht sich das Referat Presse, Internet, Soziale Netzwerke mit den jeweils fachlich zuständigen Ebenen innerhalb des Ressorts zu Fragen der strategischen Kommunikation aus.
  • Im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA) beschäftigen sich alle Abteilungen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten mit dem Thema und tauschen sich hierüber abteilungsübergreifend aus. Das Referat „Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik“ leitet zusammen mit dem Auswärtigen Amt eine Expertengruppe. Auf die Antwort zu Frage 8 wird insofern verwiesen.
  • Im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) beschäftigt sich das zuständige Referat in der Abteilung Digital- und Innovationspolitik mit dem Thema.
    Bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) beschäftigt sich das Referat Grundsatzfragen Medien, Medienkompetenz und das Referat zuständig für Internationale Zusammenarbeit im Medienbereich mit dem Thema.
  • Im Bundesministerium für Umwelt (BMU) beschäftigt sich die Abteilung Planung, Strategie, Presse, Kommunikation mit diesem Thema. In den Austausch im Ressortkreis ist ebenfalls das Referat für Krisenmanagement eingebunden.
    Im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist der Medien- und Kommunikationsstab für die Medienbeobachtung und ggf. eine entsprechende Reaktion auf eventuell festgestellte Desinformationen zuständig.
  • Im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) beschäftigen sich das Referat SE I 2 der Abteilung Strategie und Einsatz sowie das Referat Pol II 1 der Abtei-lung Politik mit Desinformation. Im Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum beschäftigt sich das Dezernat „Propaganda Awareness“ des Zentrums Operative Kommunikation der Bundeswehr mit Desinformation.
  • Die Nachrichtendienste des Bundes befassen sich im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeiten auch mit Aspekten von Desinformation in Zusammen-hang mit diversen Themen und unter Einbeziehung verschiedener organisatorischer Bereiche.
  • Das Bundeskriminalamt (Abteilung Staatsschutz) beschäftigt sich im Rahmen seiner Funktion als Zentralstelle für die polizeiliche Bekämpfung der Spionage auch mit Desinformationsaktivitäten fremder Staaten, die unter dem Aspekt neuer nachrichtendienstlicher Methodik fremder Dienste ausgewertet werden.

10 . Welche konkreten Maßnahmen, Projekte etc. haben die Bundesregierung und ihr nachgeordnete Behörden seit dem Jahr 2010 ergriffen, die sich auf die Vorbeugung bzw. Aufklärung der Bevölkerung hinsichtlich Desinformationskampagnen beziehen?

Die Bundesregierung informiert kontinuierlich die breite Öffentlichkeit zu allen Fachthemen und trägt damit zu einer sachlichen und objektiven Information bei.
Das Auswärtige Amt hat im abgefragten Zeitraum die Vernetzung mit G7, NATO und anderen EU-Mitgliedsstaaten intensiviert. Seit 2016 werden im Bal-tikum Resilienzprojekte in Höhe von insgesamt 1 Mio. Euro pro Jahr umgesetzt. Darüber hinaus findet ein intensiver Austausch mit der Zivilgesellschaft statt.
Die Kommunikation des BMG zu konkreten Fällen von Desinformation und Falschmeldungen erfolgt jeweils anlassbezogen.
Im BMU findet ein regelmäßiges Online- und Offline-Medienmonitoring statt. In dessen Fokus steht, wie die vom Ressort veröffentlichten Informationen in der Öffentlichkeit verstanden und verbreitet werden. Kommt es dazu, dass fal-sche oder missverständliche Informationen zu einem Thema verstärkt rezipiert werden, werden zu den betreffenden Themen zum Beispiel „Fakten-checks“ veröffentlicht.
Das BMEL veröffentlicht regelmäßig Publikationen zu Fach- und Verbraucher-themen und informiert Fachleute und Verbraucherinnen und Verbraucher in ge-eigneter Weise über die BMEL-Webseite sowie die Kanäle in den sozialen Medien über aktuelle Themen des Hauses.
Die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) hat im angefragten Zeitraum Maßnahmen und Produkte in verschiedener Weise entwickelt, um auf das Phänomen „Desinformation“ durch Multimedia-, Print- oder Veranstaltungsformate aufmerksam zu machen. Dazu werden einzelne Projekte gefördert, um die Bevölkerung hinsichtlich Desinformation zu sensibilisieren.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat insbesondere folgende Schritte im Sinne der Fragestellung unternommen:

  • regelmäßige Berichterstattung über Desinformation und Einflussnahmeakti-vitäten fremder Staaten seit dem Verfassungsschutzbericht 2014;
  • 10. Sicherheitstagung von BfV und ASW Bundesverband am 9. Juni 2016unter dem Motto „Neue Gefahren für Informationssicherheit und Informationshoheit“, auf der auch Desinformationsaktivitäten thematisiert wurden;
  • 15. Symposium des BfV am 14. Mai 2018 unter der Themenstellung „Hybride Bedrohungen – Vernetzte Antworten“, das auch Aspekte von Desinformation umfasste;
  • Desinformation als regelmäßiger Gegenstand der Präventionsarbeit des BfV für Politik und Verwaltung sowie Wirtschaft und Wissenschaft.

Der MAD führt präventiv Maßnahmen zur Sensibilisierung von Bundeswehrdienststellen und Bundeswehrangehörigen durch.

11. Welche konkreten Maßnahmen haben die Bundesregierung und ihr nachgeordnete Behörden seit dem Jahr 2010 ergriffen, um die Hintergründe von Desinformationskampagnen aufzuklären? Um welche Geschehnisse hat es sich jeweils konkret gehandelt?

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hat zusammen mit der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU Münster) untersucht, inwieweit technische Verfahren zur automatisierten Erkennung von Social Bots angewandt werden können. Als Grundlage wurden Daten der sozialen Netzwerke Twitter und Facebook erhoben – thematisch ausgerichtet am Kontext der Bundestagswahl 2017. Das Projekt kam zu dem Ergebnis, dass die technische Entwicklung der automatisierten Erkennung von Social Bots noch prototypisch und wenig zuverlässig ist. Ein vollständiger, sicherer und rein automatischer Nachweis von Social Bots gelingt nur in wenigen Fällen.
Die Beantwortung der Frage im Weiteren kann aus Gründen des Staatswohls nicht offen erfolgen. Arbeitsmethoden und Vorgehensweisen der Nachrichtendienste des Bundes sowie Einzelheiten zur nachrichtendienstlichen Erkenntnis-lage sind im Hinblick auf die künftige Erfüllung des gesetzlichen Auftrags der Nachrichtendienste des Bundes besonders schutzwürdig. Eine Veröffentlichung von Einzelheiten betreffend solche Erkenntnisse würde zu einer Schwächung der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Informationsgewinnung führen und ließe Rückschlüsse auf Aufklärungsschwerpunkte zu. Insofern könnte die Offenlegung entsprechender Informationen für die Sicherheit und die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein. Deshalb sind die entsprechenden Informationen als Verschlusssache gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen Geheimschutz (Verschlusssachenanweisung – VSA) mit dem VS-Grad „VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ eingestuft und dem Deutschen Bundestag gesondert übermittelt.*

Darüber hinaus ist die Bundesregierung zur Auffassung gelangt, dass eine weitergehende Beantwortung aus Gründen des Staatswohls nicht – auch nicht in eingestufter Form – erfolgen kann. Arbeitsmethoden und Vorgehensweise der Nachrichtendienste des Bundes sind im Hinblick auf dessen künftige Aufgabenerfüllung besonders schutzwürdig. Eine Antwort der Nachrichtendienste des Bundes auf diese Frage würde spezifische Informationen zur Tätigkeit, ins-besondere zur Methodik und den konkreten technischen Fähigkeiten der Sicherheitsbehörden einem nicht eingrenzbaren Personenkreis nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland zugänglich machen. Dabei würde die Gefahr entstehen, dass ihre bestehenden oder in der Entwicklung befindlichen operativen Fähigkeiten und Methoden aufgeklärt und damit der Einsatzerfolg gefährdet würde. Es könnten entsprechende Abwehrstrategien entwickelt werden. Dies könnte die wirksame Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste des Bu-des und damit auch die Interessen der Bundesrepublik Deutschland wesentlich beeinträchtigen. Die erbetenen Informationen berühren derart schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen, dass das Staatswohl gegenüber dem parlamentarischen Informationsrecht überwiegt.
* Das Auswärtige Amt hat die Antwort als „VS –Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden.

12. Wurden das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Bundesnachrichtendienst im Jahr 2016 durch das Bundeskanzleramt beauftragt, einen „Zwischenbericht über die russischen Geheimdienstaktivitäten“ im Bereich der Desinformation vorzulegen (www.welt.de/politik/deutschland/article153930594/Berlin-ruestet-sich-fuer-Propagandakrieg-der-Russen.html)?

a)Wenn ja, was waren die zentralen Ergebnisse des Berichts?

Die Fragen 12 und 12a werden gemeinsam beantwortet.
Die Bundesregierung verweist auf ihre Antwort zu Frage 8 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 18/10759 vom 22. Dezember 2016), ihre Antwort zu Frage 7 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 18/11106 vom 8. Februar 2017) sowie ihre Antworten zu Fragen 1 und 2 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 18/11543 vom 16. März 2017).

b) Inwiefern wurde der Deutsche Bundestag über die Ergebnisse unter-richtet? Wenn nein, wieso nicht?

Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 18/11543 vom 16. März 2017) wird verwiesen. Im Übrigen unterrichtet die Bundesregierung das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) im Rahmen der Unterrichtungspflichten nach § 4 Abs. 1 S. 1 und 2 Kontrollgremiumsgesetz (PKGrG) in regelmäßigen Abständen über Vorgänge von besonderer Bedeutung.

c) Welche konkreten Maßnahmen der Bundesregierung oder ihr nachgeordneter Behörden sind aus den Ergebnissen des Berichts gefolgt?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Bundesnachrichtendienst richten ihre nachrichtendienstlichen Aufklärungsmaßnahmen grundsätzlich an aktuellen Lageerkenntnissen aus. Insofern erfolgt nach vorgenommenen Analysen ggf. eine Anpassung der eigenen Maßnahmen. Die konkreten Maßnahmen des Bundesamts für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes ergeben sich aus den im BVerfSchG bzw. BNDG normierten Zuständigkeiten und Befugnissen. Eine detaillierte Nennung kann nach sorgfältiger Abwägung nicht erfolgen, da die Offenlegung der Arbeitsweise der Spionageabwehr die weitere Aufklärung nachrichtendienstlicher Aktivitäten von ausländischen Nachrichtendiensten erheblich erschweren würde. Insofern wird auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen.

->Quelle: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/170/1917073.pdf