Forschungsgruppe Wirtschaft und Finanzen des Weltethos-Instituts stellt sich hinter radikalen Dekarbonisierungsvorschlag dreier Berliner Autoren
Weil nicht mehr viel Zeit bleibt, erstellten die drei Berliner Autoren Thomas Weber, Nana Karlstetter und Gerhard Hofmann einen radikalen Vorschlag, der auf die rechtzeitige und vollständige Dekarbonisierung (Defossilisierung) von Wirtschaft und Gesellschaft abzielt – das Ganze in relativ wenigen Jahren. Im Rahmen einer Tagung in der FH Würzburg-Schweinfurt stellte sich die Weltethos-Forschungsgruppe Wirtschaft und Finanzen (WEFG) hinter den Vorschlag. Demnach soll CO2 budgetiert, mit einem hohen Preis versehen und das dabei entstehende Kapital direkt an alle Bürger zurück verteilt werden.
Einem weltweiten CO2-Budgetansatz folgend dürften, so das Papier, insgesamt noch rund 420 Gigatonnen CO2 emittiert werden, wenn die 1,5°-Grenze nicht überschritten werden soll. Deutschland stellt ca. 1% der Weltbevölkerung und hat dadurch ein entsprechend begrenztes Budget. Bei 80 Mio. Einwohnern dürfte jeder noch 37,5 t CO2 emittieren. Damit würden wir in ca. 3 ½ Jahren an die Grenze (1,5 °C) stoßen. Die Politik muss eine verbindliche Budgetierung und Rückführung des CO2-Ausstoßes sicherstellen.
Daher fordert die Forschungsgruppe eine adäquate CO2-Bepreisung an der Quelle, nämlich dort, wo fossile Energieträger aus dem Boden geholt oder importiert werden. Die Forschungsgruppe empfiehlt eine Abgabe von ca. 2.000 EUR/t CO2 um einen hinreichenden Effekt zu erzielen. In Verbindung mit einem von Jahr zu Jahr gedeckelten und schließlich gegen Null gehenden CO2-Budget können so stark innovationsfördernde Marktbedingungen für rechtzeitige CO2-Emissionsneutralität geschaffen werden. Der Vorschlag ist am noch real verbleibenden aktuellen CO2-Budget orientiert und kann aktualisierten Erkenntnissen folgend angepasst werden.
Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollen den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (SDG) folgend Bürgerinnen und Bürgern vom Staat im Voraus erstattet werden (bei 37,5 t rund € 75.000 pro Kopf), um Kaufkraft für CO2-emissionsfreie oder CO2-emissionsarme Technologien freizusetzen, soziale Nachteile zu vermeiden und gleichzeitig starke Innovationsanreize für die Wirtschaft zu setzen. Die in Konzept und Umsetzung beschriebene Maßnahme wird als Teil weiterer gleichzeitig stattfindender Veränderungen verstanden, so dass die Transformation unserer Gesellschaften als Umbau und konsequenter Abbau nicht-nachhaltiger Strukturen noch gelingen kann.
„Der radikale Vorschlag ist das konsequente Handeln, das wir nun politisch brauchen, um den katastrophalen Entwicklungen zu entgehen, die uns mit den aktuellen halbherzigen politischen Maßnahmen drohen.“ erklärte Forschungsgruppenmitglied Prof. Dr. Harald Bolsinger, Dekan der Fakultät Wirtschaftswissenschaften und Gastgeber der Tagung.
„Unsere Generation könnte die erste sein, die die Armut ausrottet, ebenso wie wir die letzten sein könnten, die die Chance haben, den Planeten zu retten“ (Aktionsplan 2030 der UN).
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Der Vorschlag: Vollständige Dekarbonisierung, budgetorientiert.
von Nana Karlstetter, Thomas Weber, Gerhard Hofmann 17.09.2019
„Wenn eine Idee nicht zuerst absurd erscheint, taugt sie möglicherweise nichts.“
Albert Einstein
„Was damals als radikal galt, gilt heute als notwendig.“
Bundesumweltministerin Svenja Schulze in ihrer Rede
zum 80. Geburtstag von Ernst Ulrich von Weizsäcker
Teilsystem einer noch rechtzeitigen Transformationsstrategie
ABSTRACT
Dieser politische Vorschlag zielt auf die rechtzeitige und vollständige Dekarbonisierung (Defossilisierung)[1] unserer Gesellschaften.
Dazu schlagen wir eine CO2-Bepreisung an der Quelle vor, nämlich dort, wo fossile Energieträger aus dem Boden geholt oder importiert werden. Eine Abgabe von 2.000 EUR/t CO2 in Verbindung mit einem von Jahr zu Jahr gedeckelten und gegen Null gehenden CO2-Budget soll Marktbedingungen für rechtzeitige CO2-Emissionsfreiheit schaffen. Unser Vorschlag ist am noch real verbleibenden aktuellen CO2-Budget orientiert. Alle Einnahmen aus der CO2-Bepreisung werden den Bürgerinnen und Bürgern als Vorauserstattung mit Umverteilungswirkung ausgezahlt. Die in Konzept und Umsetzung beschriebene Maßnahme verstehen wir dabei als Teil weiterer gleichzeitig stattfindender Veränderungen, so dass die Transformation unserer Gesellschaften als Umbau und konsequenter Abbau nicht-nachhaltiger Strukturen noch gelingen kann. Die vorgeschlagene Maßnahme mag radikal oder utopisch erscheinen. Konsequentes Handeln im realen Anschluss an die bio-physikalischen Bedingungen ist aus unserer Sicht jedoch notwendig, um den katastrophalen Entwicklungen noch zu entgehen, die ein weiteres Nicht- oder Halb-Handeln zur Folge haben wird.
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Unser Vorschlag enthält drei „Alleinstellungsmerkmale“
- Rückführung des CO2 Ausstoßes innerhalb eines absolut gedeckelten Budgets
Mit der Festlegung eines CO2-Budgets und einer Rückführung des CO2-Ausstosses im Rahmen einer jährlichen Rationierung unterscheidet sich unser Vorschlag von allen bisher politisch näher ins Auge gefassten Vorschlägen, die keine absolute Deckelung eines CO2-Budgets vorsehen und dementsprechend auch keinen Referenzpunkt Plan zur Rückführung des CO2– Ausstoßes oder zur absoluten Reduzierung des CO2-Ausstosses enthalten. Die Festlegung eines Budgets und die Planung der Inanspruchnahme dieses Budgets, ist grundsätzlich ein ökonomischer bzw. haushalterischer Vorgang. Die absolute Deckelung ist eine politische Vorgabe, die aus den von der Politik beauftragten wissenschaftlich erhobenen Sachverhalten resultiert.
- Umverteilung als Voraussetzung für das Ökologisch Notwendige verstehen.
Mit der Konzipierung und Verteilung eines Transformationsvermögens als Vorauszahlung verbindet unser Vorschlag die Umverteilung und die ökologische Maßnahme in einer Weise, wie es kein anderer Vorschlag derzeit macht. Im Unterschied zu anderen Vorschlägen der CO2-Bepreisung versteht unser Vorschlag den sozialen Ausgleich nicht als Folgefrage der ökologischen Frage, bei dessen Verständnis etwas zurückgegeben bzw. zurückerstattet wird, sondern denkt die soziale Maßnahmen im Bedingungszusammenhang mit den ökologischen Maßnahmen. Ohne eine Umverteilung vom falschen zum richtigen Konsum, so dass die, die richtig konsumieren einen Einkommensvorteil haben und gesellschaftliche Veränderungen direkt finanziell abgepuffert werden, wird es nicht möglich sein, die ökologisch notwendigen Maßnahmen umzusetzen.
- Fokussierte konsequente Handlungsstrategie ab Status Quo
Wir konzipieren eine Handlungsstrategie, die an der gegenwärtigen Zuspitzung der klimatischen Situation sowie den bekannten wissenschaftlichen Erkenntnissen ansetzt und daraus die konsequente aufschublose Handlung entwirft. Uns geht es nicht um Forderungen. Das heißt, unsere Strategie geht aus vom gesellschaftlichen und politischen Status Quo. Sie enthält keinerlei nicht übersehbare Gremienarbeit oder andere vorgängige Prozesse, die vor der Umsetzung erst erfolgreich und langwierig stattfinden müssten. Damit sind zum einen die existenzielle, äußerst zeitkritische ökologische Situation und zum anderen die diesbezügliche politische Handlungsunfähigkeit die beiden entscheidenden Bedingungen für eine sofort greifende Notfall-Strategie (anschlussfähig an weitere, ähnlich drängende ökologisch-gesellschaftliche Themenfelder.
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Politischer Vorschlag für ein staatliches Transformationseinkommen
1.1. Ziel des Vorschlages ist es, die Freisetzung von fossil gebundenem CO2 innerhalb der für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze feststehenden CO2-Budgets zu beenden. Durch die vorgeschlagenen Transformationsvermögen und Transformationseinkommen werden die gesellschaftlichen Voraussetzungen dafür geschaffen.
1.2 Der Anfall von freigesetztem, zuvor fossil gebundenem CO2 wird beendet. CO2 fällt an, wenn Kohle, Öl und Gas aus dem Boden geholt und verbrannt werden. In Deutschland sind Orte des CO2-Anfalls abgedeckt durch
- Akteure, die in Deutschland direkt CO2-erzeugende Stoffe fördern (die Energieträger Kohle, Öl, Gas) und
- Importeure von CO2-freisetzenden Stoffen oder von Produkten und Materialien, deren Herstellung CO2-Emissionen verursachen.
Wir schlagen vor, dass in Deutschland² am Ort des CO2-Anfalls, d.h. an der Quelle, eine staatliche Abgabe von € 2.000 pro Tonne CO2 erhoben wird. Damit erfasst diese Abgabe jegliches CO2, das aus fossilen Energieträgern über Deutschland in die Atmosphäre zusätzlich freigesetzt wird (für Details siehe Anhang).
1.3 Die Einnahmen aus dieser Abgabe werden der Bevölkerung vorab als Transformationseinkommen in Höhe von € 750 pro Kopf und Monat über einen Zeitraum von 100 Monaten zur Verfügung gestellt (vgl. Anhang).
1.4 Deutschland setzt eine schrittweise jährliche Reduktion des gegenwärtigen jährlichen CO2-Ausstoßes von 0,8 Gt fest, bis das für Deutschland verbleibende Budget von 3 Gt aufgebraucht und die Emissionen bei ca. 0 t CO2 angekommen sind. Dabei ist der Zeitraum, bis das Budget aufgebraucht ist, abhängig von den jährlichen Reduktionsraten.
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Voraussetzungen
2.1 Auf Grund der bekannten Faktenlage (vgl. z.B. neueste Berichte des IPCC und IPBES³ bleibt ein zeitlicher Rahmen von maximal 10 ? 15 Jahren (in Worten: zehn bis fünfzehn), um den drohenden globalen öko-sozialen Kollaps abzuwenden. Um eine entsprechend umfassende und tiefgreifende Transformation zu erzielen, beziehen wir uns auf die noch vorhandenen Budgets.
2.2 Akteure, die nach Aufbrauchen des Budgets (hier CO2) keine (hier CO2-freien) Alternativen am Markt positioniert haben, werden den Marktzugang verlieren. Damit ist sichergestellt, dass das Budget absolut gedeckelt ist und nicht überschritten werden kann.
2.3 Diese Transformation bedeutet die Umverteilung vom Falschen zum Richtigen. Richtig ist dabei alles, was zum Abbau von Ungleichheit, zur Herstellung von Gerechtigkeit und zur Erhaltung der Ökosysteme führt. Das Ergebnis, das Falsch zeitigt, ist das Aussterben der Menschen und der weitestgehenden bis gesamten Biosphäre.
2.4 Abbau von Ungleichheit und Gerechtigkeit sind hier als systemische (nicht ethische) Begriffe definiert und zwar wie folgt: Abbau von Ungleichheit bezeichnet die Ermöglichung von Diversität und reale Begegnung auf derselben Ebene/Augenhöhe und damit selbe Regeln/Möglichkeiten/Zugänge zu Kommunikation/Mitteln. Gerechtigkeit bezeichnet gleiche Bedingungen im Austausch und damit die Regel des gleichwertigen Quidproquo in der Interaktion zwischen Akteuren.
2.5 Das vorliegende Papier beschreibt das Teilsystem „Dekarbonisierung“ als Teilsystem einer Transformationsstrategie an sich. An sich heißt: lokal real, themenübergreifend und global greifend. Entsprechend gibt es Anschlüsse an nächste Teilsysteme, welche die Dekarbonisierung mit (gleichzeitig zu initiierenden) Lösungen in anderen potenziell letalen Bereichen verknüpfen. Lösungen müssen budget-basiert bzw. an der jeweils neuesten Faktenlage orientiert sein (z.B. für Artensterben, Plastik, Ernährungssicherheit/Böden/ Wasser, multiresistente Keime, sonstige Verschmutzung etc.).
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Erläuterungen zur weiteren Einordnung
3.1 Dieser Vorschlag ist zu verstehen als rechtzeitig zielführend pragmatischer Umbau der gesellschaftlich/ökonomischen Systeme und Infrastrukturen, um die für den Fortbestand der Menschheit notwendige sozial-ökologische Transformation zu schaffen. Vollständige Dekarbonisierung fungiert hierbei als erster und gut zugänglicher Schritt einer umfassenden Transformationsstrategie, die als Teillösung die Beendigung der Freisetzung von bisher fossil gebundenem CO2 in die Atmosphäre einschließt.
3.2 Wir wollen den notwendigen Fasttrack für Nachhaltigkeit entwerfen, so dass wirksame Entscheidungen möglich sind.
3.3 Sowohl in der Budget-Begrenzung als auch mit dem finalen Anspruch der vollständigen Dekarbonisierung und der vorgesehenen Vermögensverteilung unterscheidet sich dieser Vorschlag von anderen gegenwärtig diskutierten Ideen der CO2-Bepreisung.
3.4 Die Arbeitsbegriffe „Transformationsvermögen“/„Transformationseinkommen“ sind Übergangsbegriffe. Sie bezeichnen Vorstufen für die Phase des Übergangs hin zu einem „Naturvermögen“, aus dem ein „Naturgrundeinkommen“ finanziert wird. Es wird an der Gesamtnaturbeanspruchung bzw. an den Stoffflüssen ansetzen.
3.5 Wir setzen beim CO2-Ausstoß an. Und dessen vollständiger Behebung. In unserem Wirtschaftsleben resultiert daraus ein Dekarbonisierungsvermögen/ Dekarbonisierungseinkommen.
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Rechengrundlage: CO2-Bepreisung
4.1 Deutschlands CO2-Budget ist absolut begrenzt. Für den Vorschlag wird ein verbleibendes Gesamtbudget Deutschlands von 3 Gt (= 3 Milliarden Tonnen) CO2 zugrunde gelegt (vgl. die CO2-Uhr des MCC auf https://www.mcc-berlin.net/en/research/co2-budget.html (1,5-Grad-Grenze)).
4.2 Die gesamte Menschheit hatte zur Einhaltung der 1,5-Grad-Klimagrenze zum Zeitpunkt des Pariser Klimaabkommens 2015 noch ein CO2-Budget von 420 Gt.
Gegenwärtig verbraucht die Welt von diesem Budget ca 42 Gt/a.
Hält dieser jährliche Verbrauch an, ist das Budget 2025 erschöpft. Ende Mai 2019 sind davon noch gut 360 Gt übrig. Wir nehmen an, dass es noch etwas dauert, bis unser Vorschlag greifen kann, deshalb rechnen wir für dieses Papier mit einem (immer noch optimistischen) verbleibenden globalen CO2-Budget von 300 Gt (vgl. https://www.mcc-berlin.net/en/research/co2-budget.html).
4.3 Der Beitrag Deutschlands zum gegenwärtigen jährlichen globalen CO2-Ausstoß von 42 Gt liegt bei etwa 0,8 Gigatonnen oder 1,9 % pro Jahr.
4.4 Die Weltbevölkerung hat heute 7,6 Milliarden erreicht, Deutschlands Bevölkerung ca 80 Millionen Menschen, also etwas über 1%.
In 12 Jahren werden es 8,4 Milliarden, in 24 Jahren 9,2 Milliarden Menschen sein. Die Bevölkerung in Deutschland wird stabil bei ca 80 Millionen also unter einem Prozent der Weltbevölkerung bleiben.
4.5 Deutschland erhebt auf jede Tonne CO2, die aus fossilen Energieträgern freigesetzt wird, an der Quelle (bei Kohle, Öl, Gas etc., vgl. 3.1 und Anhang 1) eine Abgabe von z. B. 2.000 Euro. Die Einnahmen Deutschlands aus der Abgabe werden sich auf 3 Milliarden x 2.000 Euro, also auf 6 Billionen Euro belaufen. Der Zeitraum, in dem diese Einnahmen entstehen, ist dabei nicht festgelegt. Er wird umso länger dauern, je geringer das CO2-Budget in Anspruch genommen wird.
4.6 Der Geldwert dieses CO2-Gesamtvermögens der Gemeinschaft bzw. der Bevölkerung stellt ein Sondervermögen als Teil eines Gesamtnaturvermögens dar. Das Besondere an diesem Vermögen ist, dass es komplett umverteilt wird. Dabei ist nicht davon auszugehen, dass das Gesamtvermögen nicht entsteht, weil das CO2-Budget nicht ausgeschöpft wird, als vielmehr darauf zu achten, dass es nicht überzogen wird. Diese Gesamteinnahmen sind deshalb sicher. Eine zweite Besonderheit ist, dass sich das CO2-Vermögen durch einen einzigen und sehr gut messbaren Stoffstrom detailliert bestimmen lässt. Weitere Teile des Gesamtnaturvermögens müssen sich aus weiteren Beanspruchungen von Natur und Naturverbräuchen ergeben – wie etwa Gegenwerten hinsichtlich Biodiversitätsschutz, kompletter Umstellung der Landwirtschaft/ Landnutzung, Regionalität, Kreislaufwirtschaften, Plastik- und/oder Abfallfreiheit der Produktion, Renaturierungsmaßnahmen etc.4.
5
Rechengrundlage: Auszahlung CO2-Transformationseinkommen
5.1 Dieses Transformationsvermögen soll komplett ? und zwar noch bevor es insgesamt entstanden ist – der Bevölkerung pro Kopf als direkte Zahlung zur Verfügung gestellt werden. Bei 80 Millionen in Deutschland lebenden Menschen beläuft sich der Pro-Kopf-Anteil allein am Dekarbonisierungsvermögen damit auf 75.000 Euro oder ein monatlich auszahlbares Einkommen von 750 Euro über 100 Monate. Jede Bürgerin und jeder Bürger kann damit auf jeden Fall für die eigene Lebensführung mit Gesamteinnahmen von je 75.000 Euro rechnen.
5.2 Die unter 4.6 erwähnten anderen Anteile können als ebensolche durchlaufende Posten sukzessive aber zügig eingeführt werden, und zwar, nachdem die Dekarbonisierung als Zugpferd und erster Use Case den Menschen, Unternehmen sowie den staatlichen Verantwortlichen bereits bekannt ist und unter staatlicher Vorauserstattung des Dekarbonisierungsvermögens gestartet ist. Da die anderen Transformationsanteile ebenfalls umgehend eingefordert werden müssen, sollte in Erwägung gezogen werden, einen staatlichen Puffer aufzubauen, der für zusätzliche Maßnahmen zur Umstrukturierung und Förderung von Nachhaltigkeit genutzt werden kann ? und trotzdem mittelfristig so viel Geld an die Bevölkerung auszuzahlen, dass damit quasi ein Grundeinkommen in ausreichender Höhe finanziert ist.
5.3 Die monatlich gestückelte Vorauserstattung dieses Vermögens soll zum einen die durch die Abgabe und Verknappung entstehende Teuerung der CO2-haltigen Produkte und Dienstleistungen ausgleichen, zum anderen soll sie denjenigen, die keine CO2-haltigen Produkte und Dienstleistungen in Anspruch nehmen, ein Einkommen bieten, das sie nicht beantragen müssen und über das sie frei verfügen können. Wenn sich ein Flugticket z.B. durch die Abgabe und Verknappung um 700 Euro verteuert, hat jeder die Wahl, diese 700-Euro-Mehrausgabe entweder aus dem 75.000-Euro-Einkommen zu bezahlen, oder das Flugticket nicht zu kaufen.
5.4 Die im Vorschlag vorgesehenen Maßnahmen schaffen Gerechtigkeit, sie stellen jedem Menschen in der Bevölkerung pro Kopf ein gleiches CO2-Budget zur Verfügung und erlauben zugleich die flächendeckende und auch marktgerechte ökonomische Umsetzung. Der Einzelne bekommt einen Anreiz, durch richtiges CO2-Emissionen vermeidendes Verbrauchsverhalten Einnahmen zu generieren oder mindestens zu sparen. Es kann so eine Einkommensquelle durch richtigen Konsum geschaffen werden. Dies wird die Akzeptanz für die notwendige Transformation beflügeln.
5.5 Was den bürokratischen Aufwand betrifft: Die Erhebung der Abgabe bei Rohstoffen und Materialien an der Quelle dürfte grundsätzlich keinen viel größeren Aufwand auslösen als die Erhebung der Quellensteuer bei Kapitalerträgen (vgl. Anhang).
ANHANG 1 – EBENEN DER REALISIERUNG
Wie oben dargelegt, geht das vorgeschlagene Vorgehen vom kritischen Ernstfall aus. Das bedeutet: Die Realisierung dieser Transformation ist gedacht als der
- rechtzeitig zielführend pragmatische Umbau gesellschaftlich/ökonomischer Systeme und Infrastrukturen,
- der national (in diesem Fall von Deutschland aus) gedacht werden kann, auf EU-Ebene umgesetzt wird und weltweit/global übertragbar ist.
Für die Stabilität und damit Funktionalität der Umsetzung ist aus unserer Sicht von elementarer Bedeutung, dass sie (die Umsetzung) auf infrastrukturell bestehenden und erprobten Pfeilern ruht. Das heißt, sie muss machbar sein in Bezug auf die gegenwärtigen Institutionen (s.u.).
Die vorgeschlagene budgetorientierte Dekarbonisierung lässt sich wie folgt ausbuchstabieren:
CO2-BEPREISUNG
Der Anteil der durch Aktivitäten des Menschen emittierten Treibhausgase (76% CO2, 16% CH4, 6 % N20, 2 % andere) an der gegenwärtigen Erderwärmung liegt vermutlich bei mehr als 90%.
85% der dafür verantwortlichen Treibhausgase kommen aus Emissionen fossiler Energieträger (Kohle, Öl, Gas). 10% durch Landnutzungsänderungen und 5 % durch Zementherstellung.
Im Pariser Klimaabkommen werden als Obergrenze der maximalen Erderwärmung 1,5 Grad gegenüber vorindustrieller Zeit angegeben.
Die Einhaltung dieser maximalen Erderwärmung von 1.5° ergab zum Zeitpunkt des Abkommens in Paris ein CO2-Budget von insgesamt 420 Gt. Ende Mai 2019 liegt das verbleibende Budget bei nur noch gut 360 Gt (vgl. https://www.mcc-berlin.net/en/research/co2-budget.html).
Bis dieser Ansatz greifen wird, wird noch etwas Zeit vergehen, deshalb rechnen wir in diesem Papier mit (immer noch sehr optimistischen) 300 Gt verbleibendem CO2-Budget global.
Der Kohle+Öl+Gas-Anteil lässt sich zu jedem Produkt oder Prozess bestimmen, es gibt hierzu umfassende Berechnungen und Fußabdrucklisten.
Die CO2-Bepreisung setzt an der Quelle an, das heißt, sie fällt an, wenn CO2-verursachende Materialien aus dem Boden geholt werden. Konkret gibt es in Deutschland damit zwei Arten des CO2-Anfalls:
- Direkte Förderung in Europa, verantwortlich sind und damit bepreist werden müssen hier also die Energiebereitsteller.
- Importierte Materialien, hieraus ergibt sich ein Zoll, der pro Produkt erhoben und von den einführenden Unternehmen wie andere Zölle entrichtet werden muss.
Für den ersten Fall lässt sich die Berechnung der Entrichtung direkt angeben (wie oben ausgeführt z.B. mit 2.000 €/t).
Für den zweiten Fall müssen produktbezogene CO2-Anteilslisten zur Verfügung gestellt werden (ähnlich wie für Giftstoffe) aus denen sich die zugeschriebenen Preise ergeben.
Die Aufgabe, die CO2-Abgabe zu erheben und einzuziehen und die CO2 Stoffflüsse zu überwachen, kann im bestehenden behördlichen Design (z.B. DENA, Zollbehörden, Finanzämter) bewältigt werden.
Die zeitliche Umsetzung ist wie folgt gedacht:
Auf europäischer Ebene müssen so bald wie möglich die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden. Wir sprechen hier über Monate; Fristen, die im Hinblick auf die Höhe der Bepreisung große Unterschiede erzeugen werden.
Wenn dann ein Jahr lang gemessen wird, welche Marktakteure wie viel CO2-Verbrauch beanspruchen, kann man diese sehr genau pro Akteur angeben. Im Jahr der Messung (im Idealfall 2020) sollte unbedingt schon eine Abgabe mittels Schätzwerten erhoben werden (ähnlich einer steuerlichen Vorauszahlung, deren Höhe sich am letzten Jahr orientiert).
Von der Exekutive wird eine jährliche Reduktionsrate festgelegt, die für jeden Akteur und dessen spezifisches CO2-Budget gilt. Wir schlagen dazu vor: Eine Reduzierung des deutschen CO2-Verbrauchs von 0,8 Gt auf 0,6 Gt im ersten Jahr, im zweiten auf 0,4 Gt, im dritten auf 0,2 um dann noch über 5-10 Jahre ein Restbudget zu haben.
Das heißt, das verbrauchbare CO2-Budget ist pro Jahr absolut und in Bezug auf jeden CO2-Anfall (an der Quelle) gedeckelt. Hat es ein Akteur in einem bestimmten Jahr oder insgesamt (hier national gedacht) ausgeschöpft, verliert er und alle anderen (immer noch CO2-abhängigen) Akteure den Marktzugang.
AUSZAHLUNG CO2-TRANSFORMATIONSVERMÖGEN
Für die Auszahlung des Transformationsvermögens an die Bürgerinnen und Bürger ergibt sich bei 2.000 €/t CO2 eine Gesamtsumme von 6 Billionen Euro, umgerechnet auf also 75.000 €/Kopf.
Diese Ausschüttung muss politisch beschlossen werden, etwa wie oben ausgeführt, als Auszahlung von 750 € über 100 Monate.
Die entsprechenden Mittel kommen aus den Einnahmen über die oben beschriebene CO2-Bepreisung.
Die CO2-Abgabe wird von den ökonomischen Akteuren wie andere Kosten auch an die Konsumentinnen und Konsumenten weiter gereicht werden. CO2-enthaltende Produkte werden damit teurer, und werden, wenn das CO2-Budget ausgeschöpft ist, vom Markt verschwinden.
Eine Orientierung, welche Kostenauswirkungen eine CO2-Abgabe von 2.000 €/t CO2, haben wird, kann man aus Berechnungen des UBA erschließen. Im folgenden Kasten finden sich verschiedene Beispielrechnungen für die zu erwartende Verteuerung von Produkten bei CO2-Bepreisung. (Quellen: https://www.welt.de/wirtschaft/article191661247/Fridays-for-Future-Was-Reisen-mit-der-CO2-Steuer-kosten-wuerde.html; http://www.uba.co2-rechner.de/de_DE/)
Das UBA geht dort von einem CO2-Steuerpreis von 180 €/t aus. Die sich aus den UBA Berechnungen ergebenden Teuerungen haben wir entsprechend unseres Vorschlages von 2.000 Euro pro Tonne mit 11 multipliziert.
Insgesamt ist laut UBA der Durchschnittsdeutsche für 11,61 Tonnen CO2-Ausstoß im Jahr verantwortlich und müsste 23.000 Euro jährlich in die Klimawandel-Kasse zahlen. Etwas mehr als die Hälfte geht dabei durch Heizung und Strom, Mobilität und Ernährung drauf. Mit den größten Unterschied macht das individuelle Reiseverhalten:
- Ein Flug von Berlin nach Auckland, Neuseeland, mit Zwischenstopp in Katar: 11,65 Tonnen, Mehrpreis: ca. € 23.000
- Eine Reise München-Honolulu, Hawaii, mit Zwischenstopp in Kopenhagen: 7,53 Tonnen, Mehrpreis: ca. € 15.000
- Ein Flug Berlin-London, Großbritannien: 0,34 Tonnen, Mehrpreis: € 675
- Ein Flug von Berlin zum Flughafen Köln/Bonn: 0,21 Tonnen, Mehrpreis: ca. € 420.
Interessant bei letzterem: Wer dieselbe Strecke allein im Auto zurücklegt, schadet der Umwelt noch mehr (0,26 Tonnen, ca. € 560). Deutlich besser schneidet eine Bahnfahrt da ab, die mit vergleichsweise geringen 0,05 Tonnen (€ 99) zu Buche schlägt.
Auch für Pendler würde die CO2-Steuer teuer werden. Wer etwa jeden Tag im Privatauto von Lüneburg nach Hamburg zur Arbeit und zurück fährt, zahlt pro Tag ca € 40 mehr. Auf ein Arbeitsjahr gerechnet würden das rund € 8.800 Mehrbelastung bedeuten.
Ein Liter Benzin verursacht CO2-Emissionen von 2,37 Kilogramm. Bei 2.000 €/t würde der Liter um € 4,66 teurer werden. Ein Liter Diesel mit CO2-Emissionen von 2,65 Kilogramm würde fast € 5,33 mehr kosten.
Schätzungen zufolge verursacht eine Kilowattstunde Strom 489 g Emissionen. Geht man davon aus, dass zwei Personen rund 2.400 Kilowattstunden im Jahr verbrauchen, liegt die Preissteigerung bei € 2.344. In einem Vier-Personen-Haushalt wären es € 3.872.
Auch die Preise von Nahrungsmitteln müssten deutlich erhöht werden.
- Ein Kilogramm Rindfleisch (14,35 kg CO2-Emissionen) würde etwa € 28,66 mehr kosten.
- Ein Kilogramm Mischbrot (0,75 kg CO2) läge bei € 1,44 Mehrkosten.
- Ein Kilo Äpfel (0,5 kg CO2) bei 10 Cent,
- ein Liter Milch (1,44 kg CO2) bei € 2,77 und
- ein Kilogramm Kartoffeln (0,42 kg CO2) bei € 0,77 Mehrkosten.
1 Wir verwenden den Begriff „Dekarbonisierung“ im Folgenden synonym mit dem Begriff „Defossilisierung“, der aus unserer Sicht zwar eigentlich präziser aber noch wenig geläufig ist.
2 Der hier beschriebene Umbau kann national gestartet werden, greift international und ist weltweit/global schlüssig. Unser Vorschlag ist damit von Deutschland ausgehend und auf EU-Recht basierend formuliert, als Initial einer EU-weit und im globalen Anschluss zu realisierenden Entwicklung. Perspektivisch ist er global zu denken und zwar verschränkt mit anderen ähnlichen Ansätzen, die zeitgleich weltweit entstehen müssen.
3 Aus Gründen der Prägnanz und Übersichtlichkeit in diesem Dokument geben wir keine ausführlicheren Referenzen für Zahlen und wissenschaftliche Erkenntnisse an. Wir beziehen uns im Detail auf umfangreiches wissenschaftliches Hintergrundmaterial, das bei staatlichen bzw. öffentlichen Stellen (z.B. UBA, WBGU), in weltweiten Berichten wie etwa vom IPCC, zu den SDG oder vom IPBES sowie einschlägigen wissenschaftlichen Instituten gefunden werden kann.
4 Die (1) Bestimmung aller Anteile des Gesamtnaturvermögens mit den jeweiligen Geldwerten, Stoffflüssen und spezifischen Budgets/Anforderungen ebenso wie (2) deren Einordnung in eine koordinierte kontinuierliche Abstimmungs- und Justierungsmatrix für die Prozesse der Realisierung müssen an geeigneter Stelle geschehen, die sich jedoch außerhalb des Rahmens dieses Papiers befindet.
->Quelle: agentur-zukunft.eu/vollstaendige-dekarbonisierung-budgetorientiert