Streit um TTIP

 VZBV-Müller beklagt „Schwarz-Weiß-Denke“ – Foodwatch keilt zurück

Klaus Müller, vzbv - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Klaus Müller, vzbv – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Foodwatch und die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) streiten über den richtigen Umgang und die richtige Sichtweise des Freihandelsabkommens TTIP. VZBV-Chef Klaus Müller hattte dem Handelsblatt gesagt, die „Schwarz-Weiß-Denke“ bestimmter Diskussionsteilnehmer wie Foodwatch, des Deutschen Gewerkschaftsbundes, aber auch des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, tue der Diskussion nicht gut.

vzbv-logoMüller warnte vor übertriebenen Stellungnahmen: „Ich rufe nicht zu Demonstrationen auf und ich warne vor polemischen Äußerungen“. Ein Grund für die aufgeheizte Diskussion sei die Art und Weise des Protests gegen TTIP. Er selbst habe sich bewusst nicht den Kritikern des geplanten Abkommens angeschlossen, sagte Müller. Er verlangte ein „abgespecktes“ TTIP ohne die Bereiche Lebensmittel, Kosmetika und Chemikalienregulierung – aber: „Als Verbraucherschützer kann man nicht gegen fairen Freihandel sein“.

TTIP ist böse

Der Ton macht’s – Klein-Demo auf der Autobahn Hannover-Kassel – Foto © Johanna Hofmann, Agentur Zukunft

Der VZBV habe „sich bewusst nicht den Freihandelskritikern angeschlossen“. Über die komplizierten Themen von TTIP sollte nach seiner Auffassung weniger bei Demonstrationen gestritten, als hart verhandelt werden. Er begrüßte den deutschen Vorschlag, die umstrittenen geheimen Schiedsgerichte durch einen internationalen Handelsgerichtshof zu ersetzen. Die Europäer müssten den USA klarmachen, „dass es kein TTIP geben wird, wenn es hier keine vernünftige Lösung gibt“. Kritisch beurteilte Müller das Vorgehen der EU-Kommission . Diese habe den Inhalt des Verhandlungsmandats nicht veröffentlicht und die nationalen Parlamente nicht einbezogen. „Die haben nicht verstanden, welche Tragweite das Abkommen hat“, beklagte Müller. So seien Sorgen und Proteste provoziert worden.

Foodwatch: „Abgespecktes Abkommen überhaupt nicht vorgesehen“

Proteste gegen TTIP im Internet

Proteste gegen TTIP im Internet

foodwatch logoFoodwatch reagierte hart: „Wir können uns über die Aussagen in Richtung der TTIP-Kritiker nur wundern. Offensichtlich gibt es inhaltlich eine breite Übereinstimmung: Herr Müller will TTIP ‚abspecken‘ und das Abkommen auf Bereiche wie Zölle und technische Standards im Maschinenbau beschränken. Richtig ist, dass die Gefahr gerade von den anderen Bereichen ausgeht, etwa von der Regulierungszusammenarbeit. Was Herr Müller aber offenbar nicht bedenkt: Es gibt ein Verhandlungsmandat – und innerhalb des Mandats ist ein so abgespecktes Abkommen überhaupt nicht vorgesehen. Der Auftrag, der ohne Beteiligung von Parlamenten von den nationalen Regierungen an die EU-Kommission ergangen ist, soll ja gerade den Weg zu einer tiefgreifenden regulatorischen Zusammenarbeit bereiten. Es ist wohlfeil, ein abgespecktes Abkommen in den laufenden Verhandlungen zu fordern, wenn diese verbrieft ein ganz anderes Ziel haben. Deshalb setzen sich foodwatch und ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis für den Stopp der laufenden Verhandlungen und die Rücknahme des Mandats ein. Wir sind für einen fairen Freihandel – und gerade deshalb gegen TTIP. Mit dem bestehenden Verhandlungsmandat kann TTIP nicht zu einem fairen Freihandel führen. Wer ein anderes Abkommen will, der muss zurück auf Null und nicht einfach nur auf bessere Verhandlungsergebnisse hoffen.“

Müller: Es geht um Debattenkultur und Tonlage

Anti-TTIP-Proteste - Foto © Mehr Demokratie - CC BY-SA 2.0

Anti-TTIP-Proteste – Foto © Mehr Demokratie – CC BY-SA 2.0

Über Twitter legte Müller nach und bekräftigte, dass es ihm nicht nur um die Positionen einiger Diskussionsteilnehmer gehe, sondern explizit auch um deren Debattenkultur. An die Adresse von Foodwatch stellte Müller klar: „Positionen sind bekannt und zu TTIP gibt es auch Gemeinsamkeiten. Unterschiede bestehen in Tonlage und Einschätzung des Freihandels.“

Trojanisches Pferd der TTIP-Gegendemonstranten vor Willy-Brandt-Haus Berlin - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Trojanisches Pferd der TTIP-Gegendemonstranten vor Willy-Brandt-Haus Berlin – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Die Verhandlungen über TTIP hatten im Juli 2013 begonnen. Die geplante Freihandelszone soll durch Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen (angeblich) der Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks einen Schub geben. Kritiker bestreiten das und befürchten Gefahren für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie für die Kultur – und für Nachhaltigkeits-Standards bis hin zum Fracking. Schließlich sollen Unternehmen zum ersten Mal Staaten wegen entgangener erwarteter Gewinne vor Schidesgerichten verklagen können.

Auch der vzbv hatte sich bereits skeptisch geäußert. Es bestehe die Sorge, dass Arbeits-, Sozial-, Verbraucher- und Umweltstandards „unter die Räder geraten“, erklärten vzbv und DGB gemeinsam im Sommer 2014. Der DGB hat zu einer großen Gegendemonstration am 10. Oktober in Berlin aufgerufen.

Malmström: In Europa schweigende Mehrheit dafür

Cecilia Malmström - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Cecilia Malmström – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Die EU-Handels-Kommissarin Cecilia Malmström staunte schon am 27.07.2015 im Berliner Tagesspiegel über die Kritik aus Deutschland: „Insgesamt gibt es in der EU wohl eine Mehrheit dafür, aber das ist eher eine schweigende Mehrheit. Die Kritik dagegen ist sehr laut – auch ich habe den Eindruck, dass es in einigen Ländern die Skepsis eher wächst. Mir ist bewusst, dass es in Deutschland eine traditionell starke grün-alternative Bewegung gibt. Andererseits: Deutschland profitiert mehr als alle anderen Staaten in Europa von TTIP. Insofern bin ich manchmal schon überrascht, wie heftig die Kritik ist in einem Land, das in hohem Maße vom Export abhängt und schon so stark mit der US-Wirtschaft verflochten ist.“

Die Agentur Zukunft ist relativ fassungslos: „Das hat uns gerade noch gefehlt: die Kritiker zerstreiten sich und bei den TTIP-Fans knallen die Champagnerkorken. Es scheint seit der Römerzeit germanisches Erbe zu sein, angesichts eines fast übermächtigen Gegners lieber untereinander zu streiten, statt sich zu vereinigen, und die feinen Unterschiede in der Beurteilung etwas später auszutragen.“

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