Endspiel am Amazonas

34. Bericht an den Clubof Rome thematisiert Zukunft tropischer Regenwälder
„Wenn die Regenwälder verschwinden, kippt unser Klima.“ – Claude Martin

Für die einen sind sie Paradiese, andere sprechen noch immer von der „grünen Hölle“. Kaum ein Lebensraum löst so viel Faszination aus und ist gleichzeitig so stark bedroht: Rinderherden, Ölpalmplantagen und der Raubbau von Tropenholz bedrohen die Regenwälder. Die Situation ist so unübersichtlich wie die Wälder selbst: Einerseits wird illegal gerodet, andererseits mit staatlicher Unterstützung aufgeforstet; in weiten Teilen der Tropen geht die Waldfläche stark zurück, in manchen Regionen bleibt sie konstant; vielerorts existiert noch unerschlossener Urwald neben verarmten und isolierten Formen.

Der ehemalige WWF-Generaldirektor Claude Martin fasst den aktuellen Stand im neuen – dem 34. – Bericht an den Club of Rome zusammen und gibt dem Slogan „Rettet den Regenwald“ seine kompetente Stimme: Er blickt auf die regional verschiedenen Ursachen der Rodungen, bewertet die Chancen von Schutzmaßnahmen und wagt eine Prognose für die Zukunft. Besonders interessant ist dabei die Frage, wie die Regenwälder auf den Klimawandel reagieren. Die Wissenschaft ist sich einig, dass hier eine Zeitbombe tickt, wenn der Wald kollabiert und in Flammen aufgeht, weil es immer trockener wird. Für Claude Martin, Kanzler der Internationalen Genfer Universität, findet aktuell am Äquator ein großes Finale statt – ohne dass jemand wirklich weiß, wie es ausgehen wird – daher trägt sein Bericht den deutschen Titel „Endspiel“.

Der Klimawandel und die industrielle Landwirtschaft werden immer stärker zu Waldkillern – das ist die zentrale Botschaft des neuen Berichts an den Club of Rome. Claude Martin liefert darin einen Zustandsbericht über die tropischen Regenwälder der Welt und wagt eine Prognose zu derenZukunft. Fast die Hälfte der Tropenwälder sei bereits dem Hunger nach Land, Holz, Fleisch und anderen Agrarprodukten zum Opfer gefallen. Der fortschreitende Klimawandel nehme den Wald zusätzlich in die Zange. Dürren und Waldbrände werden zunehmen. Das treffe besonders Gebiete, die ohnehin durch wachsende Soja- oder Palmölplantagen und immer größere Rinderherden massiv unter Druck geraten seien. „Das Zusammentreffen von Agrarindustrie, Klimawandel und Zerstückelung der Flächen durch Straßen ist ein tödlicher Giftcocktail“, so Claude Martin. „Wenn die Regenwälder verschwinden, kippt unser Klima und wenn wir den Klimawandel nicht bremsen, werden die Tropenwälder kaum zu retten sein.“

Noch mehr als eine Milliarde Hektar, eine Fläche die größer ist als die USA

Regenwald brennt südlich von Boavista, Roraima, Brasilien – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Der Bericht an den Club of Rome macht deutlich, dass viel auf dem Spiel steht. Trotz jahrzehntelangem Raubbau sind die verbliebenen Waldflächen am Amazonas in Zentralafrika und in Asien noch immer gigantisch. Sie umfassen mehr als eine Milliarde Hektar, eine Fläche die größer ist als die USA. Die Analyse der aktuellen Entwaldungstrends legt nahe, dass bis 2050 ein weiterer Verlust von Primärwäldern von mindestens 100 Millionen Hektar zu befürchten ist. Das entspricht etwa der doppelten Größe Spaniens. Der WWF hält sogar noch weit größere Verluste für realistisch. Zwar seien die Abholzungen in den vergangenen Jahren in
einigen Regionen deutlich zurückgegangen, doch vom Ziel der Vereinten Nationen, die globale Entwaldung bis zogovollständig zu stoppen, sei man weit entfernt.

„Das Endspiel um den Erhalt der letzten Tropenwälder hat längst begonnen“, fasst Claude Martin die aktuelle Situation zusammen. Noch sei das Schicksal der Tropenwälder nicht besiegelt. Es bedürfe aber gewaltiger Anstrengungen, dieses Naturerbe zu bewahren. Neben der Ausweisung von Schutzgebieten seien die Staaten gefordert, den Waldschutz inden Tropenländern gesetzlich zu verankern, praktisch umzusetzen und Finanzströme umzuleiten. Ein weiterer zentraler Punkt sei die Veränderung des Konsumverhaltens der Menschen in den Industrie- und zunehmend auch in den Schwellenländern. Besonders die Nachfrage nach
Fleisch, Futtermittel und Biokraftstoffen dürfe nicht weiter im großen Stil auf Kosten der Tropenwälder gehen.

WWF pflichtet bei

Jörg-Andreas Krüger – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Martins Einschätzung wird vom WWF geteilt: Jörg Andreas Krüger, Leiter des Fachbereichs Biodiversität beim WWF Deutschland fordert: „In den Tropenländern müssen Schutzgebietssysteme und Landnutzungsplanungen entwickelt werden, die einen wirkungsvollen Schutz der Wälder ermööglichen. Bei der finanziellen und technischen Unterstützung ist auch Deutschland in der Verantwortung.“

Ein zentraler Schauplatz, an dem sich das Schicksal der Tropenwälder entscheidet, ist das Amazonasbecken. Hier findet sich der größte Regenwaldblock der Erde mit 530 Millionen Hektar, der sich auf neun lateinamerikanische Staaten verteilt. Besonders im Fokus steht Brasilien. „Das Land hat große Erfolge im Regenwaldschutz im Amazonas erzielt und kann für andere Staaten in Zentralafrika oder in Asien als Modell funktionieren“, erkennt Jörg-Andreas Krüger an. Leider sei Brasilien dabei, die Erfolge leichtfertig kurzfristigen Profitinteressen der Agrar- Energie und Bergbauindustrie zu opfern. Falls aktuelle Reformpläne umgesetzt werden, könnten selbst bestehende Naturschutzgebiete und indigene Schutzgebiete aufgelöst und erschlossen werden. Nicht nur für den Wald wäre das fatal: Im Amazonas leben mehr als 300 indigene Kulturen, einige von ihnen ohne Kontakt zur Außenwelt. Ihre Territorien haben sich gegenüber der Entwaldung als noch widerstandfähiger erwiesen als staatliche Naturschutzgebiete „Der Schutz der Kulturen und Rechtsansprüche indigener Völker ist ein zentraler Schritt zum Schutz der Wälder, konstatiert Claude Martin in seinem Bericht an den Club of Rome. „Es geht nicht allein um die Bewahrung einer biologischen Schatzkammer. Wälder versorgen uns mit sauberem Wasser, schützen uns vor Erosion und Fluten und stabilisieren unser Klima. Setzen wir das aufs Spiel, verlieren wir mehr als ein paar Prozente Wirtschaftswachstum“.

->Quellen:

  • Der 34. Bericht an den Club of Rome erscheint unter dem Titel Endspiel – wie wir das Schicksal der tropischen Wälder noch wenden können im oekom verlag, München, 320 Seiten, 22.95 Euro.
  • wwf.de/2015/endspiel-am-amazonas
  • oekom.de