Carbon Divestment: Mittel gegen Erderwärmung und die nächste Finanzblase

Global Carbon Divestment Day
– oder was wir gegen den Klimawandel tun können

Mit freundlicher Genehmigung von Reinhard Bütikofer

Man muss kein Mathematiker sein, um die ökonomische Dramatik zu verstehen, die sich in den folgenden Zahlen ausdrückt: Wenn die Menschheit die Erderwärmung auf +2 Grad Celsius begrenzen will, dürfen bis 2050 nur noch 565 Milliarden Tonnen CO2 ausgestoßen werden. Das heißt, ein Großteil der fossilen Reserven müssen als „unburnable carbons“ im Boden bleiben. Und: Investitionen in fossile Konzerne müssen unterbleiben: Divestment statt Investment.

Würden aber alle uns heute bekannten Erdöl-, Kohle- und Gasvorkommen verbrannt, resultierte das in einer Belastung der Atmosphäre von über 2.700 Milliarden Tonnen CO2. Mit anderen Worten: Das Verbrennen der bekannten fossilen Energiereserven würde unseren Planeten mit fünf Mal so viel CO2 belasten wie allenfalls noch ertragbar wäre, um die Schäden durch den Klimawandel einigermaßen zu begrenzen.

Die internationale Staatengemeinschaft hat darauf bei der UN-Klimakonferenz 2010 in Mexiko eine klare Antwort gegeben: 194 Länder verpflichteten sich, die Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts auf +2 Grad Celsius zu begrenzen. Das bedeutet aber in der Konsequenz, dass ein Großteil der Öl-, Gas- und Kohlereserven nicht verbrannt werden darf. Sie sind dann für ihre Besitzer wertlos. Wie gehen wir damit um?

Es droht eine Finanzblase: Die CO2-Blase

Da der Börsenwert von Konzernen wie Shell, BP oder Statoil auf deren Energiereserven beruht, bahnt sich eine Finanzblase an: Wird das „2-Grad-Ziel“ umgesetzt, würde der Börsenwert solcher Energiemultis um 30 bis 40 Prozent fallen – so haben es die Unternehmensberatung McKinsey und Carbon Trust vorgerechnet.

Solange Anleger weiter Geld in diese Energiekonzerne pumpen, wird diese Finanzblase – auch CO2-Blase genannt – immer größer. Laut einer Studie im Auftrag der Grünen-Fraktion im Europaparlament, haben schon heute europäische Banken, Versicherungen und Pensionsfonds über eine Billiarde Euro in fossile Energien investiert.

Diese Blase ist also nicht zu vernachlässigen. Im Gegenteil, sie stellt insbesondere für Länder wie Frankreich, Niederlande und Großbritannien, deren Banken und Pensionskassen besonders viel Geld in diesem Energiesektor angelegt haben, ein relevantes Risiko dar.

Hope is on the way

Doch es gibt Hoffnung gegen die CO2-Blase: Auf Initiative des Autors und Aktivisten Bill McKibben entstand in den USA in den letzten Jahren eine Bewegung, die sich für das Abziehen von Investitionen in Öl-, Kohle- und Gaskonzerne („Divestment“) stark macht. Dabei verfolgt die Bewegung einen cleveren Argumentationsansatz: Öffentliche und private Institutionen wie Universitäten, Kirchen, Stadtverwaltungen, Pensionsfonds, Banken oder Versicherungen investieren Geld in fossile Energien. Es handelt sich hierbei aber nicht allein um das Geld der Institutionen, sondern auch ihrer Studenten, Kirchenmitglieder, Bankkunden oder Versicherten.

Die Institutionen sind verpflichtet, mit dem Geld, das wir ihnen anvertraut haben, verantwortlich umzugehen, denn sie tragen soziale Verantwortung. Investitionen in Öl, Gas oder Kohle sind keine ökonomisch nachhaltigen Investitionen, keine gegenüber den eigenen „Stakeholdern“ und der gesamten Menschheit verantwortungsvollen Anlagen. Daraus folgt die Forderung: Zieht Investitionen aus Konzernen fossiler Energien ab.

Carbon Divestment-Bewegung wächst rapide

In den 80ern gab es schon einmal eine Bewegung, die das Beenden von verantwortungslosen und unmoralischen Investitionen forderte. Damals ging es um Investitionen und Handel mit dem rassistischen Südafrika. Die Bewegung war so erfolgreich, dass der US-Senat ein Divestment-Gesetz zu Südafrika verabschiedete.

Ganz so weit ist die noch junge CO2-Divestment-Bewegung nicht, aber selbst Barack Obama, dessen eigene Klimapolitik eher zwiespältig ist, lobte die Aktivisten um Bill McKibben schon in einer Rede. Die Carbon Divestment-Bewegung erzielt Erfolge in den USA in atemberaubendem Tempo: Letzten September erklärte die Rockefeller-Stiftung, ihr aus dem Ölkonzern Standard Oil stammendes Vermögen von 860 Millionen US-Dollar aus Unternehmen der fossilen Energien abzuziehen.

In den USA wurden schon insgesamt 50 Milliarden US-Dollar von Stiftungen, Universitäten, Pensionskassen und anderen Einrichtungen „divestet“. Inzwischen ist Carbon Divestment zu einer globalen Bewegung geworden. In Europa haben zum Beispiel die Schwedische Kirche, Norwegens größter Pensionsfonds Storebrand, die Allianz AG in Österreich, die Stadtverwaltungen in Münster und Örebro (Schweden) entsprechende Initiativen auf den Weg gebracht. Besonders viel Hoffnung macht, dass ein deutliches Nein zu weiteren Investitionen in die schmutzige Energie aus Kohle immer weiter um sich greift.

Erster globaler Carbon Divestment Day – siehe

Am 13. und 14. Februar 2015 hat die Nichtregierungsorganisation 350.org zum ersten globalen Divestment-Tag aufgerufen. Auch wir Europäische Grünen unterstützen den Aufruf. Zahlreiche Menschen folgen ihm und organisieren Aktionen.

Dieser „Freitag, der 13.“ hat damit das Zeug, ein Glückstag für unseren Planeten zu werden. Mit der Divestment-Bewegung hat der globale Klimaschutz eine neue Speerspitze gewonnen. Ihr Vorteil ist, dass sie das ökologisch Notwendige mit dem ökonomisch Sinnvollen auf neue Weise verknüpft.

Und: Die Divestment-Bewegung kommt zu einem günstigen Zeitpunkt. Ende diesen Jahres findet die UN-Klimakonferenz in Paris statt. Um dort ein wirksames Weltklimaschutzabkommen zu erreichen, braucht es auch den Druck der Zivilgesellschaft. Divestment bietet uns eine Möglichkeit, um immer mehr Menschen für den Schutz unserer ökologischen und wirtschaftlichen Zukunft zu mobilisieren.

Reinhard Bütikofer, geb. 1953, seit 2009 MdEP, ist seit 2012 Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei (EGP). Er ist Mitglied des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE), stelvertretendes Mitglied des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten (AFET), stellvertretendes Mitglied des Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung (SEDE) sowie des Unterausschusses für Menschenrechte (DROI). Bütikofer ist Direktoriumsmitglied des Europäischen Demokratiefonds (EED) und delegierter Vorsitzender der AFET Arbeitsgrupe External Financing Instruments (WG EFI). Er ist Mitglied in der Delegation für die Beziehungen zu den Vereinigten Staten sowie erster stellvertretender Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen zur Volksrepublik China. Der gebürtige Mannheimer ist Mitglied im NABU-Club, Mitglied des Advisory Board des AJC Ramer Center Berlin, im Europa/Transatlantik-Beirat der Heinrich-Böll-Stiftung, Mitglied des Deutsch-Chinesischen Dialog-Forums und der Europäischen Grünen-Stiftung.

->Quellen: