Erster globaler Divestment-Tag

Aufruf: Nicht mehr in „unburnable carbon“ investieren!

Am Freitag und Samstag, dem 13. und 14. 02.2015, hat die Nichtregierungsorganisation 350.org zum ersten globalen Divestment-Tag aufgerufen. „Divestment“ bedeutet das Gegenteil von „Investment“: Unternehmen und Finanziers werden aufgefordert, nicht mehr in Firmen zu investieren, die mit fossilen Energien Geld verdienen, denn 350.org weist darauf hin, „dass fossile Brennstoffe, wie z.B. Kohle, in die Geschichtsbücher gehören und die Zukunft in den erneuerbaren Energiequellen liegt“.

350.org über 350.org: „Die Zahl 350 steht für Klimasicherheit. Um einen bewohnbaren Planeten zu erhalten, so sagen uns Wissenschaftler, müssen wir die Menge an CO2 in der Atmosphäre von derzeit 400 ppm (Teilchen pro Million) auf unter 350 ppm verringern. Wir glauben, dass eine globale Graswurzelbewegung zur Bewältigung der Klimakrise unsere Politiker mit den wissenschaftlichen Fakten und Prinzipien der Gerechtigkeit in die Verantwortung nehmen kann. Unser globales Netzwerk ist in 188 Ländern der Erde aktiv. Im Rahmen der Fossil Free-Kampagne bringen Menschen überall auf der Welt ihre Universitäten, Städte, Kommunen, Kirchen und andere Institutionen dazu, ihr Vermögen aus der fossilen Brennstoffindustrie abzuziehen. Denn diese Investitionen zerstören unseren Planeten.“

Campact-Sprecher Jörg Haas in politische ökologie: „Die britische Carbon Tracker Initiative hat aufgezeigt, was inzwischen auch die internationale Energieagentur oder der Weltklimarat anerkennen: Wir können nur ein Drittel bis ein Fünftel der weltweiten fossilen Ressourcen verbrennen, wenn wir unterhalb der kritischen Schwelle von zwei Grad durchschnittlichem Temperaturanstieg bleiben wollen. Zwei Drittel bis vier Fünftel des fossilen Kohlenstoffs sind „Unburnable Carbon“, unverbrennbarer Kohlenstoff, der unter der Erde bleiben muss, wenn wir unseren Kindern ein lebensfreundliches Klima vererben wollen.

Rauch-Wasserdampf-Fahne Kraftwerk Reuter-West und Müllverbrennungsanlage, Berlin – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Doch die bisherige Nutzung dieser fossilen Ressourcen hat eine politische Ökonomie geschaffen, deren Einfluss auf politische Entscheidungen kaum zu überschätzen ist. Etwa ein Viertel der fossilen Ressourcen gehört privaten Firmen. Viele von ihnen sind an Börsen gelistet. Ihre ausgewiesenen Reserven gehen als zukünftige Gewinne zu einem erheblichen Teil in ihre Börsenbewertung ein. Öl-, Gas- und Kohlefirmen müssen ständig neue Reserven ausweisen, um ihren Börsenwert zu erhalten. Daher investieren die 200 größten börsennotierten Firmen 674 Milliarden US-Dollar jährlich in die Erschließung neuer fossiler Reserven, obwohl bereits die vorhandenen Reserven weit höher sind als das, was das Weltklima vertragen kann, ohne völlig aus der Balance geworfen zu werden.All die Kohle, all das Öl und Gas, das wir nicht verbrennen dürfen, sind in die Börsenbewertung fossiler Konzerne eingepreist. All die Kohle, all das Öl und Gas, das wir nicht verbrennen dürfen, sind also schon in die Börsenbewertung fossiler Konzerne eingepreist. Diese große Wette auf die Selbstzerstörung der Welt hängt als Blase, als „Carbon Bubble“ über dem Markt.“

Aus der 350.org-Seite: „Ein weiterer Sargnagel für Kohle in Europa

Das wissenschaftliche Magazin Nature hat im Januar 2015 weitere starke Belege dafür geliefert, weshalb ein Großteil der Kohle unter Tage bleiben muss, wenn der Klimawandel gestoppt werden soll. Die Zahlen für Europa sind besonders düster, da hier 21% der Öl-, 6% der natürlichen Gas- und 89% der Kohlereserven unter der Erde bleiben müssen, um die international vereinbarte 2°C-Erwärmungsgrenze nicht zu überschreiten.

Die Nature-Studie ist die erste ihrer Art, die ein Kohlenstoffbudget aufstellt, das nicht nur nach Region, sondern auch nach Typ der fossilen Brennstoffe unterscheidet. Und, wie einer der federführenden Autoren Dr. Christophe McGlade klarstellt, ist dies „nicht der einzige Weg voran und auf keinen Fall eine vorgeschriebene Lösung. Die Forschung könnte jedoch als Appetithappen für weiterreichende Verhandlungen über die historische Verantwortung, Verteilungsgerechtigkeit und mögliche Ausgleichsmechanismen dienen.”

Kohlefinanzierung ist stark

Europa gibt jährlich € 10 Milliarden für Kohlesubventionen aus. Allein Deutschland hat 2012 3 Mrd. Euro zur Unterstützung der Kohle ausgegeben, mehr als jeder andere EU-Mitgliedsstaat. Und Polen, dem europäischen Aushängeschild in Sachen Kohle, hat Brüssel in der Vergangenheit traditionell zugebilligt, dass dort große nationale Unternehmen bis zu € 1,7 Milliarden an Subventionen eingestrichen haben, so ein aktueller Forschungsbericht von CEE Bankwatch.

Börsennotierte und staatseigene Öl-, Gas- und Kohlefirmen blockieren mit demokratiefeindlichen Methoden jede ambitionierte Klimapolitik, um ihr Geschäftsmodell zu schützen – z. B. die Environmental Policy Alliance (EPA ist die gleiche Abkürzung wie die U.S. Environmental Protection Agency, die amerikanische Umweltschutzbehörde) ist eine Vorkämpfer-Gruppe der großen Ölkonzerne, die fadenscheinige oder falsche Rechercheergebnisse, aber auch verleumderische Behauptungen über gegen den Klimawandel kämpfende Organisationen und Personen verbreitet. Die Gruppe wird von Rick Berman geleitet, der einmal von der New York Times mit den Worten zitiert wurde: „Wer gewinnen will, muss holzen.“ CBS nannte ihn einst „Mr. Evil„. Die Ölindustrie behauptet über die Divest-Befürworter, sie seien eine Bande von großen, bösen Radikalen, die wollen, dass alle hungrig im Dunkeln sitzen(so ein Anti-350-Video der Kohle-Lobby). „350.org“ nennt das „lächerlich“ – man setze sich für eine gerechte, nachhaltige Zukunft für uns alle ein – „wo Energie etwas ist, das der Völkergemeinschaft hilft statt sie zu verletzen, und wo man nicht viel Geld ausgeben muss, um gehört zu werden“.

Opposition ist stark

„Die Kohle-Renaissance in Europa war nur ein Traum” klingt vielleicht erst einmal nach einer Presseerklärung einer grünen Nichtregierungsorganisation – so. Dieser starke Konter stammt aber aus dem aktuellen Medium-Term Coal Report 2014 der Internationalen Energieagentur. Und er kommt nicht überraschend. Der Preis der europäischen Kohle fiel auf den tiefsten Stand seit sieben Jahren, da die Abbau- und Verschiffungskosten abnahmen und ein Nachfragerückgang aus China, dem weltgrößten Kohleverbraucher, prognostiziert wird.

Und als wären diese starken Marktsignale noch nicht ausreichend, nimmt auch der öffentliche Widerstand gegen Kohle weiter zu. Im letzten Sommer haben sich tausende von Menschen auf den Weg in die deutsch-polnische Grenzregion Lausitz gemacht, wo der staatliche schwedische Energiekonzern Vattenfall und die polnische Energiegruppe PGE einen weiteren Ausbau des Tagebaus planen. Die Demonstranten bildeten eine 8 Kilometer lange Menschenkette und verbanden so jene deutschen und polnischen Dörfer, die dem Braunkohletagebau weichen sollen.

In den letzten Monaten hat sich auch beträchtlicher Widerstand durch polnische Bauern, Gewerkschaften und andere Bürger in Westpolen gegen die Pläne des polnischen Energieunternehmens PAK formiert, die beabsichtigen einen Braunkohletagebau in der Krobia und Miejska Górka-Region anzulegen. Beim Verbrennen dieser lockeren Kohle wird vergleichsweise mehr Kohlenstoffdioxid frei als bei Steinkohle oder Erdöl und zweimal soviel wie bei Erdgas.

Förderbagger im Tagebau Welzow-Süd – Foto © Gerhard Hofmann,  Agentur Zukunft

Global Divestment Day

Der Global Divestment Day bietet den Befürwortern des Kohleausstiegs eine weitere Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass fossile Brennstoffe, wie z.B. Kohle, „in die Geschichtsbücher gehören“ und die Zukunft in den erneuerbaren Energiequellen liegt. Öffentliche und private Institutionen, wie auch das University College London, an dem die Autoren der Nature-Studie forschen und das über 14 Millionen Pfund in fossile Brennstoffe investiert hat, werden verstärkt dazu aufgefordert, ihre Finanzierung der Klimazerstörung einzustellen und ihr Kapital in die bereits bestehenden Lösungen zu investieren.

Im Sommer, vom 14. – 16. August, laden Aktivisten aus Deutschland und den benachbarten Staaten die Öffentlichkeit zu einem großen Treffen im Rheinland, Europas größter CO2-Quelle, ein, um ein Ende der Kohleförderung zu fordern. „Europa braucht einen sofortigen und gerechten Kohleausstieg. Seine Bürger fordern es, die Märkte geben immer wieder Signale, die in diese Richtung weisen und jede Alternative, die nicht fast die kompletten Kohlereserven der Region unter Tage belässt, ist nicht mit einer lebenswerten Zukunft auf unserem Planeten vereinbar“, so 350.org. Wie einer der Autoren der Nature-Studie anmerkte, ist es Zeit die Kluft zu schließen „zwischen dem erklärten Ziel der Politiker und Entscheidungsträger sich an die 2°C-Marke zu halten und ihrem Willen, tatsächlich darüber nachzudenken, was getan werden muss, damit dieses auch nur im Ansatz erreicht wird”.

350.org — Die Zahl 350 „bezeichnet den Grenzwert für das dauerhafte Überleben der Menschheit“, so die Webseite, „die wichtigste Zahl auf dieser Erde. Die jüngsten wissenschaftlichen Ergebnisse zeigen, dass wir unserem Planeten enormen und irreversiblen Schaden zufügen, wenn wir es nicht sehr bald schaffen, die Kohlenstoffdioxidkonzentration in der Atmosphäre auf maximal 350 ppm (Teilchen pro Million) zu reduzieren. Die dafür erforderlichen Lösungen existieren. Rund um die Welt baut sich inzwischen eine Bewegung auf, welche die Klimakrise angeht und sich dafür einsetzt, die Menschheit aus der Gefahrenzone heraus und die CO2-Konzentration unter eben jenen Wert von 350 ppm zu bringen. Diese Bewegung ist von nie dagewesener Größe, sie ist vielfältig und sie ist visionär. Wir sind Aktivisten, Studenten und Wissenschaftler. Wir bekleiden Führungspositionen in unseren Schulen und Universitäten, unseren Unternehmen, unseren Kirchen und unseren Regierungen. Wir sind Verfechter sauberer Energie, vorausschauende, zukunftsorientierte Politiker und furchtlose Revolutionäre. Und wir sind eine Gemeinschaft, rund um die Welt vereint und angetrieben durch unser gemeinsames Ziel, diesen Planeten als Lebensraum zu erhalten für all jene, die nach uns kommen.“

->Quellen und weitere Informationen: