“Wie eine Kerze, die an beiden Enden brennt”

Symposium zum 60. Geburtstag von Robert Schlögl

Robert Schlögl vor Max Planck – Foto © th.fhi-berlin.mpg.de

250 Teilnehmer am Symposium – Foto © Gerhard Hofmann Agentur Zukunft

Anlässlich des 60. Geburtstages von Prof. Robert Schlögl veranstaltete das Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft (FHI) in Berlin ein Symposium unter dem Titel „Inorganic Insights into Catalysis„. 16 Referenten und 250 Teilnehmer diskutierten am 03. und 04.07.2014 im Harnack-Haus des FHI die Fortschritte bei der Erforschung heterogener Katalysatoren in den vergangenen 35 Jahren (in etwa die Zeitspanne der beruflichen Laufbahn Schlögls) und deren aktuellen Stand in Theorie und Experiment – aber auch der Energiewende. Agentur Zukunft beschränkt sich auf den Energiewende-Teil.

Ideengeber für ESYS

Ferdi Schüth – Foto © Gerhard Hofmann

Prof. Ferdi Schüth, Direktor am Kohlenforschungsinstitut Mühlheim, nannte Schlögl, der eine Ehrenmedaille seines Instituts erhielt, in seiner Eröffnungsansprache als stellvertretender Präsident der Max-Planck-Gesellschaft einen „Wissenschaftler von Herzen“ – und einen politischen Menschen dazu.

Schlögl, gleichzeitig Direktor am FHI und am Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion (CEC) in Mülheim, sei, so hob Prof. Alexander Bradshaw (Max-Planck-Institut für Plasmaphysik – IPP) hervor, unter vielem Anderem Ideengeber für die Energiewende-Plattform Energiesysteme der Zukunft (ESYS) – er sitzt deren Steuerungsgruppe vor.

Robert Schlögl – Foto © Gerhard Hofmann Agentur Zukunft

Robert Schlögl studierte Chemie und promovierte 1982 an der Ludwig-Maximilians-Universität in München über Graphit-Einlagerungsverbindungen. Nach Postgraduierten-Aufenthalten in Cambridge und Basel habilierte er sich 1989 bei Prof. Gerhard Ertl am FHI. Später nahm er den Ruf auf eine Professur in Anorganischer Chemie an die Universität Frankfurt an. 1994 wurde er auf seine aktuelle Position als Direktor am FHI berufen. Darüber hinaus war er 2011 Gründungsdirektor des im Juni 2012 gegründeten Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion in Mülheim/Ruhr.
Schlögls Forschung konzentriert sich vor allem auf die In-Situ-Untersuchung heterogener Katalysatoren mit dem Ziel, kinetisch anspruchsvolle Reaktionen unter Nutzung von für technische Anwendungen typischen Stoffen zu verstehen, gleichzeitig für die Energiespeicherung wichtige nanochemisch-optimierte Stoffe zu finden und zu definieren. Sein aktueller Forschungsschwerpunkt liegt auf der Anwendung wissensbasierter heterogener Katalyse für die chemische Energieumwandlung in großem Maßstab. Der Autor von fast 1.000 Publikationen hält mehr als zwanzig Patente. Er ist Fellow der Royal Society of Chemistry und Mitglied in zahlreichen internationalen Organisationen. Seine Forschungsaktivitäten wurden mit mehreren internationalen Preisen ausgezeichnet..

Schüth: Die Energiewende und die Hindernisse bei Ihrer praktischen Umsetzung

Um ironisch die Komplexität zu zeigen, begann Ferdi Schüth seine Problem-Darstellung der Energiewende mit einem (seinerzeit umstrittenen) Zitat des Fußballtrainers Hans Meyer (vormals Nürnberg): „Wir werden die Situation analysieren, und wenn wir jemanden herausfinden, erschießen.“ Nach dem Tsunami von Fukushima sei die Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke in Deutschland wieder zurückgenommen worden – jetzt seien wir wieder da, wo die rotgrüne Regierung schon 2000 angekommen sei; das letzte AKW gehe 2022 vom Netz. Das sei noch keine Energiewende – „ich nenne das die ‚kleine Energiewende‘“. Die große Energiewende sei eine Herausforderung für uns, denn, so Schüths Hypothese: „Das Energiesystem Deutschlands ist so kompliziert, dass es niemand vollständig versteht, so dass Maßnahmen mit erwünschten Zielen oft viele unerwünschte oder gar gegensätzliche Seiteneffekte haben.“

Bau eines Windgenerators in Sachsen-Anhalt – Foto © Gerhard Hofmann_Agentur Zukunft

Ziele der „großen Energiewende“

  • Der CO2-Ausstoß solle bis 2050 um 80% sinken,
  • der Endenergieanteil der Erneuerbaren auf mehr als 60,
  • ihr Anteil an der Stromerzeugung auf 80 Prozent steigen.

Dazu solle der Energieverbrauch bis 2050 sinken:

  • Prozesswärme um 35 Prozent,
  • mechanische Energie in der Industrie bis zu 40 Prozent,
  • Heizung in Wohngebäuden um 50 Prozent,
  • Heizung in anderen Sektoren auf nahe Null,
  • mechanische Energie im Handel auf die Hälfte,
  • in den Bereichen Elektronik und Computertechnik ebenso und
  • im Mobilitätsbereich um mehr als 60 Prozent – nur durch E-Mobility.

Dabei helfe uns der demografische Wandel: 2050 habe Deutschland 10% weniger Bevölkerung, dieses Zehntel bekämen wir gratis. Die größte Herausforderung bedeuteten aber die Gebäude, denn die meisten Wohnhäuser seien Altbauten, die hielten etwa 100 Jahre; daher könne nur von den neuen eine wirklich drastische Verbrauchsverringerung um den Faktor 8 erwartet werden. Büros und Industriebauten hätten eine geringere Lebenserwartung, daher müsse hier der künftige Energieverbrauch auf Null gesetzt werden.

Es gebe inzwischen eine umfangreiche Gesetzgebung zum Thema, aber inzwischen würden wir der Tatsache gewahr, dass ein einzelner Eingriff oft zehn neue Probleme aufwerfe. Um dies besser verstehen zu können, habe Schlögl ESYS erdacht – die Wissenschaftsplattform „Energiesysteme der Zukunft“ – sie sei „Robert Schlögls Schöpfung“. Schüth: „Wir versuchen darin, die Interaktionen verschiedener regulativer und politischer Maßnahmen im System zu verstehen:

  • Inwieweit unterstützen oder behindern einzelne Maßnahmen das Erreichen der Energiewende-Ziele?
  • Erzeugen sie Konflikte zwischen Zielen und nicht beabsichtigten Auswirkungen?
  • Welcher darunter liegende Mechanismus erzeugt diese Auswirkungen?“

Schüth wies auf das energiepolitische Zieldreieck aus Nachhaltigkeit hin (Klimaschutz, Ressourcenerhalt) Versorgungssicherheit (Systemstabilität, Verfügbarkeit von Energiequellen) und Bezahlbarkeit (Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, Privatverbraucher) – die Schwierigkeit, alle Ziele zufriedenstellend auszutarieren liegt auf der Hand. Umso mehr, als in das Dreieck verschiedene einender überlagernde Mechanismen einwirkten, wie etwaEEG Cover - © Carl Heymanns Verlag

  • den europäischen Zertifikatehandel ETS,
  • Einspeisevergütungen,
  • Kostenverteilung im Energiesystem,
  • Definition der Grenzen des Systems,
  • Deckelung von Energiepreisen,
  • Speicherung von Energieträgern und
  • zu Reboundeffekten führende Mechanismen.

Anschaulich erklärte Schüth den Reboundeffekt als eines der Probleme, unter dem die Energiewende leide: „Wenn ich mir einen neuen 3xA-Kühlschrank kaufe, bin ich glücklich über den energieeinsparenden Fortschritt. Was mache ich? Ich stelle den alten in den Keller zum Weinkühlen. Oder ich fliege vom ersparten Geld nach Südamerika und verursache viel mehr CO2 als vorher.“

Beispiele für Zielkonflikte

Mast und Kamin am Heizkraftwerk Mainz - Foto © Dieter Fichtner_Agentur Zukunft

Mast und Kamin am Heizkraftwerk Mainz – Foto © Dieter Fichtner, Agentur Zukunft

Der europäische Zertifikatehandel ETS reduziere das CO2 nicht, er transportiere den CO2-Ausstoß lediglich in andere Gegenden – EEG und ETS interagierten auf problematische Weise. Wir bezahlen also Geld für etwas, das nicht so funktioniert, wie eigentlich erwartet.

Wärmepumpen seien zwar eine schöne Sache, das EEG mache sie aber ineffizient, denn es lege die Einspeisevergütung auf alle Verbraucher um, damit würde die eigentlich so segensreichen Wärmepumpen weniger effizient – eine Folge der EEG-Kostenverteilung. „Zudem werden CO2-Emissionen aus einem nicht-geregelten Bereich in einen Geregelten überführt, eine Extra-Nutzen, der nicht genutzt werden kann, weil das System dagegen ist – das ist sicherlich so nicht gewollt“.

Echt grünes Auto auf Hannover Messe 2014 – Foto © Gerhard HofmannAgentur Zukunft

Elektro-Autos wären wunderbar, wenn sie mit erneuerbarer Energie gespeist würden. Aber wir laden unsere Autos mit Strom aus konventionellen Kraftwerken. Doch mit Brennstoffzellen angetrieben Autos sind noch schlechter dran: Der Wasserstoff braucht bei seiner Produktion so viel (fossilen) Strom, dass die Gesamtbilanz aktuell schlechter als bei jedem Verbrennungsmotor ausfällt. Zudem sei der Mobilsektor nicht durch das ETS geregelt – somit überführten E-Autos CO2 aus einem ungedeckelten Bereich in einen gedeckelten. Trotz allem habe die E-Mobilität aber das Potenzial, die Treibhausgas-Emmissionen stark zu reduzieren.

Es sei allerdings an der Zeit, über einen „System-Reset“ nachzudenken – das geschehe in ESYS.

Umbach: Energiespeicherung – Die Crux der Energiewende?

Eberhard Umbach – Foto © Gerhard Hofmann Agentur Zukunft

Der Physiker Eberhard Umbach (Universität Würzburg – bis 2013 Präsident des KIT Karlsruhe) wies darauf hin, dass die bereits von Schüth genannten Ziele der Energiewende (davon beträfen nur 20 Prozent die Elektrizität, aber 50 Prozent Heizung und Kühlung und 30 Prozent den Transportsektor) nur erreichbar seien durch eine Optimierung des gesamten Energiesystems. Auch er diagnostizierte Konflikte zwischen Zielen und Maßnahmen. Trotz der starken Förderung der Erneuerbaren seien Kosten und CO2-Emissionen gestiegen, die Versorgungssicherheit auf Grund der volatilen Energieträger und die Preise ETS-Zertifikate gesunken.

Wasserspeicher anderer Art - für die Pause- - Foto © Gerhard Hofmann Agentur Zukunft 20140703

Wasserspeicher anderer Art – für die Pause – Foto © Gerhard Hofmann Agentur Zukunft

Die Verbraucher zahlten mehr, weil die Einspeisevergütung durch das EEG geregelt sei. Stromspeicherung sei nicht mehr kostensparend; die fehlende Ausgleichsenergie (ca. 130 TWh) produzierten Stand-By-Kohlekraftwerke – daher der steigende CO2-Ausstoß.

Sonne und Wind in Sachsen -Anhalt Foto © Gerhard Hofmann_Agentur Zukunft 20140623

Sonne und Wind in Sachsen -Anhalt Foto © Gerhard Hofmann_Agentur Zukunft 20140623

Den optimalen Mix zwischen Wind und PV definierte Umbach mit 75 : 25. Bei 100 Prozent Erneuerbaren bräuchten wir für 30 TWh Speicherkapazität, wenn keine fossilen Energieträge mehr benutzt werden sollten. Alle verfügbaren Pumpspeicherwerke kämen aber nur auf 50 GWh, weitere 50 GWh stellten 3 Mio. E-Autos (wenn wir sie denn schon hätten) bereit; die bestehende Gas-Infrastruktur könne 110 TWh speichern – also wären – laut Umbach – „5-10 TWh Speicher-Volumen ein gute Kompromiss“. Denn schon 5 TWh Speicherung reduzierten die fossile Energieproduktion von 130 auf 40 TWh, mit entsprechender CO2-Reduktion, doch die bereitstehende Stand-By-Energie bliebe im Wesentlichen gleich.

Umbach diagnostizierte wesentliche Herausforderungen für das Ziel, 2050 100 Prozent Erneuerbare zu erreichen uns die die fehlenden 130 TWh sicherzustellen:

  1. Importieren? Nur teilweise möglich.
  2. Durch mechanische Energiespeicher? Gegenwärtig zu vernachlässigen.
  3. Durch konventionelle (fossile) Kraftwerke?
    – Kohle verbrennen erzeugt zu viel CO2, geringe Kosten, aber alte Kraftwerke seien ein Problem;
    – bei Erdgas seien die CO2-Emissionen immer noch zu hoch, die Kosten höher, die Effizienz besser;
    – gespeichertes Synthetik-Gas verursachte keinen CO2-Ausstoß, wenn es aus Erneuerbaren stamme, die Gesamteffizienz sei allerdings gering. Aber. Wir bräuchten dann imer noch 80 GW Stand-By-Energie.
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Biomasse und Wind in der Lausitz – Foto © Gerhard Hofmann/Agentur Zukunft

Als Lösungsangebote nannte Umbach: Öko-Stromspeicherung in Form von Power-to Gas oder Power-to-Liquid. Noch sei allerdings die Kreislauf-Effizienz viel zu niedrig (nur etwa 30 Prozent), was bedeute, noch sei das zu teuer. Also gebe es eine größere Herausforderung für die Forschung. Neue Ideen für die Speicherung seien notwendig.

Umbach nannte als Beispiel für neue Ideen die Zementproduktion: „Sie ist weltweit für 3,5 Prozent des Energieverbrauchs und 7 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Niemand hat bis vor kurzem über eine Reduktion in diesem Bereich nachgedacht, denn das Verfahren ist so allgemein verbreitet, in so vielen Zementwerken weltweit. Doch jetzt gibt es Ansätze, den Energieverbrauch – und den CO2-Ausstoß – bei der Zementherstellung zu halbieren. Das würde bedeuten: Wir könnten doppelt so viel fliegen wie bisher, denn der Anteil des Flugverkehrs an den CO2-Emissionen liegt nur bei 2-3 Prozent weltweit.“

Ferdi Schüth, Eberhard Umbach – Foto © Gerhard Hofmann Agentur Zukunft

Beide – Schüth und Umbach – stimmten darin überein, dass jedes Mal, wenn Entscheidungen getroffen und Investitionen vorgenommen würden, möglichst viele Kriterien berücksichtigt würden – keine Option solle zu früh verworfen werden – immer müssten beide Strukturen (zentral-dezentral/lokal – das ganze System) bedacht werden.

Die Laudatio von Gerhard Ertl

Robert Schlögls Familie und Gerhard Ertl – Foto © Gerhard Hofmann Agentur Zukunft

Nobelpreisträger Gerhard Ertl (FHI) zeichnete auf sympathisch-humorvolle Weise den Lebensweg Schlögls seit dessen Kindertagen nach: In München in ein katholisches Umfeld hineingeboren, sei er dennoch kein Geistlicher geworden. Sein früh erwachendes Interesse für Technik und Wissenschaft sei stärker gewesen. Früh habe er Spaß am Experimentieren gehabt, früh auch habe er sich für die Berge begeistert.

Gerhard Ertl – Foto © Gerhard Hofmann Agentur Zukunft

Die erste Fassung seiner Dissertation habe er 1982 in Englisch abgeliefert (er sei zuvor in Cambridge gewesen), aber damals sei die Chemische Fakultät noch sehr konservativ gewesen; die Arbeit

Gerhard Ertl – Foto © Gerhard Hofmann Agentur Zukunft

habe zeitraubend ins Deutsche übersetzt werden müssen – ihr Titel „Marginalien in Schwarz: Beiträge zur Interkalationschemie in Grafit“. Damals sei er das erste Mal auf den jungen Schlögl aufmerksam geworden. Früh habe sich Schlögl für Kohlenstoff interessiert, schnell habe er sich der Ammoniaksynthese zugewandt. Eine seiner ersten Arbeiten habe sich denn auch mit der katalytischen Ammoniaksynthese befasst. Entsprechend dann auch seine Habilitationsschrift 1989: „Zum Struktur-Verständnis der industriellen Ammoniak-Synthese“.

 

Robert Schlögl und Gerhard Ertl – Foto © Gerhard Hofmann Agentur Zukunft

Gerhard Ertl, Robert Schlögl Foto © Gerhard Hofmann Agentur Zukunft

Schlögl nutze das Werkzeug der Physik um chemische Fragen zu beantworten. Seine Stationen vom Postdoc in Basel: Zum ersten Mal am FHI in Berlin, und über Frankfurt 1994 wieder zurück nach Berlin. Schließlich die Gründung des CEC in Mülheim. Ende 2014 werde seine Veröffentlichungszahl die 1000 erreichen.

Ertl über seinen Habilitations-Schüler: „Schlögl ist wie eine Kerze, die nicht nur an zwei Enden brennt, sondern an zwei ganz verschiedenen Enden: einerseits als Wissenschaftler, andererseits als Organisator von Forschungsprozessen.“ Ob er denn noch Zeit für Anderes habe? fragte Ertl rhetorisch: Ja, die habe er: Er sei ein guter Fotograf, ein exzellenter Koch und ein guter Bergsteiger.

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