Gabriel verteidigt EEG-Ausnahmen – Reaktionen

Bundestagsdebatte: „Niemand muss Sorge haben, die Energiewende werde ausgebremst“ – Besondere Ausgleichsregelung: Ausnahmen bleiben

Um den Anstieg der EEG-Umlage zu bremsen, will Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel den Ausbau erneuerbarer Energien über die Senkung der Fördersätze und mit Ausbaukorridoren für die einzelnen Stromerzeugungsarten steuern: „Ausbau der kostengünstigen Energieträger und Abbau der kostenintensiven und der Überförderung. Nur durch diese Kombination machen wir die Energiewende erfolgreich, sicher und bezahlbar.“ So verteidigte er seine umstrittene Ökostromreform im Bundestag, wo das künftige Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) am 08.05.2014 in erster Lesung beraten wurde, als wichtigen Baustein der Energiewende. Die Vorwürfe der Opposition, er würge die Erfolsstory von Wind- und Solarkraft ab, wies er zurück. Die ganze Rede im Wortlaut hier.

„Niemand muss Sorge haben, die Energiewende werde ausgebremst“, versicherte Gabriel. Die Opposition warf der großen Koalition allerdings erneut vor, sie verweigere die eigentlich versprochene Entlastung der Verbraucher. Besonders heftig war die Kritik an den neuen Regeln für die Ausnahmen der energieintensiven Industrie. Im Wahlkampf hatte Gabriel angekündigt, er werde die sich auf mehr als fünf Milliarden belaufenden Rabatte begrenzen – jetzt musste er zugeben, dass er seine Zusage nicht einhalten werde, was er so begründete: „Der Preis wären hunderttausende industrieller Arbeitsplätze in diesem Land.“ Die Ausnahmen sind nach Gabriels Ansicht nötig, um Industrie-Arbeitsplätze zu sichern. Sonst wären viele Mittelständler „unmittelbar in die Insolvenz marschiert“. Man dürfe Verbraucher und Industrie nicht gegeneinander ausspielen: „Das macht beide zum Verlierer.“

Bio- und Windenergie in Brandenburg – Foto © 20140504 Gerhard Hofmann_Agentur Zukunft

Ziel des von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur grundlegenden Reform des Erneuerbare Energien-Gesetzes und zur Änderung weiterer Bestimmungen des Energiewirtschaftsrechts (18/1304) ist es, „die Entwicklung zu einer Energieversorgung ohne Atomenergie und mit stetig wachsendem Anteil erneuerbarer Energie konsequent und planvoll fortzuführen“. Weiter heißt es: „Zugleich soll diese Novelle die Kostendynamik der vergangenen Jahre beim Ausbau der erneuerbaren Energien durchbrechen und so den Anstieg der Stromkosten für Stromverbraucher begrenzen.“
Zur Begrenzung der Kostensteigerung der von den Stromverbrauchern zu zahlenden EEG-Umlage sollen der Ausbaupfad für Energieerzeugungsanlagen begrenzt werden. 2013 wurden an die Betreiber von erneuerbaren Energieanlagen Vergütungen in Höhe von 22,8 Milliarden Euro gezahlt. Daraus ergibt sich ein durchschnittlicher EEG-Vergütungssatz von 17 Cent pro Kilowattstunde für den Bestand, während für Neuanlagen 14,6 Cent angegeben werden. Dieser Vergütungssatz soll für 2015 ans Netz gehende Neuanlagen auf zwölf Cent sinken.
Darüber hinaus sollen spätestens 2017 die finanzielle Förderung und ihre Höhe für die erneuerbaren Energien über Ausschreibungen ermittelt werden. Außerdem soll die Direktvermarktung von aus erneuerbaren Energien erzeugtem Strom zunächst für bestimmte Neuanlagen verpflichtend werden. An den Kosten des Ausbaus erneuerbarer Energien (EEG-Umlage) sollen alle Stromverbraucher „in adäquater Weise“ beteiligt werden, ohne dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit der stromintensiven Industrie gefährdet würde. Daher sieht der Entwurf eine „ausgewogene“ Regelung für eigenerzeugten und selbst verbrauchten Strom vor. Als wesentliches Ziel des Entwurfs wird formuliert, die EEG-Umlage in den nächsten Jahren auf dem heutigen Niveau zu stabilisieren.(hib)

Scharfe Kritik von Links und Grün: „Mogelpackung!“ – „Zwangskollekte!“

Sigmar Gabriel vor dem Bundestagsplenum 08.05.2014 – Screenshot © bundestag.de

Grünen-Experte Oliver Krischer kritisierte, Gabriel präsentiere eine Mogelpackung; Schwarz-Rot halbiere das Ausbautempo der Erneuerbaren: „Das ist wahrlich ein Armutszeugnis.“ Das EEG-Gesetz schütze letztlich die Kohleindustrie, am Ende werde eine „Braunkohlewende“ in Deutschland zu besichtigen sein. Gabriel wies die Kritik zurück. Wer die Grundrechenarten beherrsche, könne sehen, dass der Ökostromanteil von heute 25 Prozent bis 2025 auf 40 bis 45 Prozent zunehmen werde. Der auf jährlich 2500 Megawatt begrenzte Ausbau der Onshore-Windenergie sei kein Einschnitt – dieser Wert sei bisher ohnehin nur ein einziges Mal erreicht worden.

Die linke Fraktions-Vize Caren Lay warf Gabriel vor, er treibe eine „Zwangskollekte für die Industrie“ ein: „Es bleibt dabei, dass im Endeffekt die Rentnerin und der Student für Wiesenhof und die Steinkohleindustrie die Stromrechnung mit bezahlen.“ Und: „Die angebliche Verschärfung der Regelungen zu den Industrierabatten ist eine PR-Ente von Wirtschaftsminister Gabriel.“ Ihr widersprach der Unionsfraktionschef Fuchs: „Es kann nicht sein, dass hier gerade von der Linken gefordert wurde, dass man Unternehmen wissentlich und willentlich kaputt macht. Ich glaube, dass die Linkspartei ein gestörtes Verhältnis zu industriellen Arbeitsplätzen in Deutschland hat. Das ist ihr Problem, das darf nicht unseres werden.“

Gabriel räumte seinerseits große Defizite beim Klimaschutz ein. Der europäische Emissionshandel sei „kaputt“. Selbst in Deutschland, wo „unfassbar viel Geld“ für die Erneuerbaren ausgegeben werde, seien zwei Jahre in Folge [[CO2]]-Emissionen gestiegen.

Zeitdruck

Die Koalition droht in Zeitnot zu geraten, weil die EEG-Reform nach Vorstellung Gabriels schon im August in Kraft treten soll, und weil nicht klar ist, ob die Bundesratsmehrheit steht. Bereits am 23.05.2014 soll sich der Bundesrat erstmals mit der Reform befassen. Das schwarz-rote Gesetzespaket ist nicht zustimmungspflichtig. Jedoch könnten die Länder bei neuem Streit in den Vermittlungsausschuss gehen und den Zeitplan der Koalition über den Haufen werfen. Der Zeitplan ist jedoch mit der EU-Kommission verabredet, und die Wirtschaft braucht Planungssicherheit, wenn sie in neue Ökostrom-Kraftwerke, Netze und Speicher investieren soll.

Solarwirtschaft fordert Verzicht auf geplante „Sonnensteuer“

Der Bundesverband Solarwirtschaft forderte dringende Nachbesserungen an der EEG-Novelle. Er warnte davor, Privathaushalte und Gewerbebetriebe künftig finanziell zu belasten, wenn sie Solarstrom vom eigenen Dach oder vom Vermieter beziehen. Andernfalls werde die Nachfrage nach Solarstromanlagen auf einen Bruchteil einbrechen und die Energiewende massiven Schaden nehmen. Wenn Bürger und kleine Gewerbetreibende Solarstrom für den eigenen Bedarf herstellen, sollen sie nach Vorstellung von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel künftig etwa 3 Cent je Kilowattstunde EEG-Umlage zahlen, Mieter das Doppelte. „Dies würde einen Großteil künftiger Photovoltaik-Investitionen unwirtschaftlich machen“, warnt BSW-Solar-Geschäftsführer Körnig. Im Gegenzug ließe sich durch die geplante „Sonnensteuer“ nach Berechnungen von Verbraucherschützern der Strompreis der Allgemeinheit nicht merklich reduzieren.

Gleichzeitig sollen große Teile der Industrie weitgehend von den Kosten der Energiewende befreit werden, auch wenn sie ihren Strom weiterhin aus Gas- und Kohlekraftwerken beziehen. „Klimasünder werden großzügig entlastet, Klimaschützer hingegen zur Kasse gebeten. Das sei ungerecht, die geplante „Sonnensteuer“ muss schnell vom Tisch. Wer mit Solarstrom die Umwelt entlastet, darf dafür nicht bestraft werden“, so Körnig. Gegen die geplante „Sonnensteuer“ bei gleichzeitig großzügiger Befreiung industrieller fossiler Energieverbraucher von den Kosten der Energiewende formiere sich gegenwärtig ein breiter Widerstand in der Bevölkerung.

Hintergrund: Ab dem 01.08.2014 soll der Eigenverbrauch selbst erzeugten Solarstroms in den meisten Fällen mit 50 Prozent der EEG-Umlage finanziell belastet werden. Das entspricht derzeit rund 3,1 Cent je Kilowattstunde (kWh). Mieter, die ihren Solarstrom vom Dach des Vermieters beziehen, sollen sogar 100 Prozent der EEG-Umlage zahlen (derzeit 6,24 Cent je kWh). Eigenstromerzeuger aus besonders energieintensiven Betrieben, aus dem Bergbau und dem verarbeitenden Gewerbe sollen hingegen lediglich 15 Prozent der EEG-Umlage abführen (rd. 0,94 Cent je kWh), auch wenn sie ihren Strom in der Regel aus fossilen Kohle- oder Gaskraftwerken beziehen. Von der Belastung mit der EEG-Umlage werden nach ersten Schätzungen des BSW-Solar über zwei Drittel des deutschen Solarmarktes betroffen sein. Lediglich Betreiber von Photovoltaik-Kleinstanlagen mit einer Leistung von bis zu 10 kWp – das klassische Eigenheim-Segment – sollen von der Öko-Abgabe weiterhin befreit bleiben. Diese machten im letzten Jahr jedoch lediglich knapp ein Fünftel der neu installierten Photovoltaik-Leistung aus.

Kabinett beschließt Gesetz zur Besonderen Ausgleichsregelung – Ausnahmen bleiben weitgehend erhalten

Bundeskabinett – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Das Bundeskabinett hatte am 08.05.2014 (einen Tag zuvor) den von Gabriel vorgelegten Entwurf für ein „Gesetz zur Neuregelung der Besonderen Ausgleichsregelung für stromkosten- und handelsintensive Unternehmen“ beschlossen; dieser enthält die im EEG vorgesehenen Änderungen für die Befreiungen von der EEG-Umlage (§ 60 bis 65 sowie § 99 bis 100 EEG). Befreiungen sind dem Entwurf zufolge für alle Unternehmen mit einem jährlichen Stromverbrauch von mehr als einer Gigawattstunde möglich. Eine weitere Voraussetzung sind neben einem zertifizierten Energie- oder Umweltmanagement mindestens 16 Prozent (2017: 17 Prozent), bzw. 20 Prozent Anteil der „Stromkostenintensität“ (Anteil der Stromkosten an der Bruttowertschöpfung).

Für den Verbrauch solcher Unternehmen wird die Umlage für die erste Gigawattstunde nicht begrenzt, darüber fallen 15 Prozent des normalen Satzes an – aber nur bis zu einer Gesamthöhe von 4 Prozent der Bruttowertschöpfung bei Unternehmen mit einer Stromkostenintensität von unter 20 Prozent und 0,5 Prozent bei einer Stromkostenintensität ab 20 Prozent. Mindestens müssen aber 0,1 Cent je Kilowattstunde für den gesamten Verbrauch oberhalb einer Gigawattstunde erreicht werden. Für Schienenbahnen gilt ein geringerer Umlagesatz von 20 Prozent nur ab einem Jahresverbrauch von mindestens zwei Gigawattstunden für den Fahrbetrieb.

Industrie lobt

Der Zusammenschluss Energieintensive Industrien in Deutschland (EID) begrüßte erwartungsgemäß die Kabinetts-Entscheidung. Es seien „höhere, aber gerade noch verkraftbare Kosten“, die auf die Unternehmen zukämen. Ihre Wettbewerbsfähigkeit bleibe damit erhalten. Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) erklärte: „Welchen Anteil die energieintensiven Unternehmen an der Finanzierung der Energiewende künftig schultern, ist deshalb schwer abschätzbar. Er wird auf jeden Fall höher ausfallen als bisher. Aktuell zahlen die energieintensiven Branchen zusammen rund 2 Milliarden Euro an EEG-Umlage. Insgesamt dürfte der Anstieg für die energie­intensiven Branchen gerade noch verkraftbar sein“. Die Papierbranche kritisierte, dass Gabriel den von der EU-Kommission vorgegebenen Spielraum unnötig eingeengt habe, freute sich zugleich aber auch über den Erhalt der Entlastungsregeln. „Es muss nun weiter daran gearbeitet werden, die Kosten der Energiewende für Industrie und Verbraucher zu senken. Hier stehen wir vor allem bei der Marktintegration der Erneuerbaren Energien erst am Anfang. Die deutschen Stromkosten bleiben auch nach dieser Reform mit die höchsten in Europa“, sagte Klaus Windhagen, EID-Sprecher und Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Papierfabriken (VDP).

Stimmen zur EEG-Novelle

n-tv: „Der neue Genosse der BosseDie Energiewende hat ein Gerechtigkeitsproblem: Wirtschaftsminister Gabriel wälzt die Kosten gnadenlos auf die Verbraucher ab, um die Industrie zu schützen. Bei der EEG-Reform ist er nicht SPD-Chef. Sondern Industrie-Lobbyist.“

BUND: „Die Energiewende wird vor allem von den Profiteuren der fossilen Energiewirtschaft unterminiert. Der Ausbau der Photovoltaik ist bereits eingebrochen. Ein reformiertes Erneuerbare-Energien-Gesetz muss diesen Trend umkehren.“

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer: „Sie halbieren das Ausbautempo der erneuerbaren Energien um die Hälfte. Und das ist wahrlich ein Armutszeugnis, meine Damen und Herren.“

Renate Künast, Vorsitzende des Verbraucherausschusses, im ARD-Morgenmagazin: „Es ist eigentlich ein Wortbruch. Er hat ja versprochen, dass er die Kosten anders verteilen würde. Das hat er nicht getan. Wenn Unternehmen von den Privilegien her ein bisschen was zahlen müssen, am Ende aber trotzdem 219 Branchen in der Ausnahme und im Privileg bleiben,… dann ist das nicht in Ordnung. Ich finde, er ist der Genosse der Bosse. Er ist nach Brüssel gefahren und ‚rausgeholt, was ‚rauszuholen ist, aber für die. “

Greenpeace: „…unsoziale Politik zu Lasten der Bürger…“

Oberbayrisches Volksblatt: „Gabriels EEG-Reform: Alle sind vergrätzt.“

->Quelle(n): deutschlandfunk.de; n-tv.de; dip.bundestag.de; bmwi.de; pv-magazine.de; abendzeitung-muenchen.de; ovb-online.de