EU-Versorgungssicherheits-Strategie umstritten

Gabriel: gut – BEE: schlecht

EU-Kommissar Günther Oettinger beim Dahrendorf-Symposium 2013 – Foto © Gerhard Hofmann

Die Europäische Kommission will als Reaktion auf das aktuelle geopolitische Umfeld die Abhängigkeit der EU von Energieimporten verringern. Daher habe EU-Energiekommissar Günther Oettinger am 28.05.2014 eine Strategie für eine sichere europäische Energieversorgung vorgestellt – so eine Mitteilung der EU. Dazu gehören die Diversifizierung der ausländischen Energielieferungen, der Ausbau der Energieinfrastruktur, die Vollendung des EU-Energiebinnenmarkts und Energieeinsparmaßnahmen. Zudem beinhaltet sie konkrete Vorschläge, um die Energieversorgung im nächsten Winter zu sichern. Die europäischen Staats- und Regierungschefs werden beim Europäischen Rat am 26. und 27. Juni über die Vorschläge beraten.

EU-Fahne an EU-Vertretung Berlin 20130220 – Foto © Gerhard Hofmann Agentur Zukunft

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärte: „Die EU hat nach der Gaskrise 2009 viel für die Verbesserung ihrer Energieversorgungssicherheit getan. Dennoch ist diese nach wie vor gefährdet. Die Spannungen in der Ukraine haben dies erneut verdeutlicht. Angesichts einer Importabhängigkeit von insgesamt mehr als 50 Prozent müssen wir weitere Schritte unternehmen.“

EU-Energiekommissar Günther Oettinger: „Wir wollen starke und stabile Partnerschaften mit wichtigen Lieferländern, müssen aber vermeiden, dass wir politisch und kommerziell erpressbar werden. Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben eine lange Liste mit Hausaufgaben vor sich: Gemeinsam müssen wir unsere Solidarität mit den stärker gefährdeten Mitgliedstaaten stärken. Außerdem müssen wir den Energiebinnenmarkt vollenden, unsere Infrastruktur verbessern, unsere Energieeffizienz steigern und unsere eigenen Energieressourcen besser nutzen. Ferner müssen wir die Diversifizierung der externen Energielieferanten, insbesondere der Gaslieferanten, schneller vorantreiben.“

Umfassende Risikobewertungen vorgeschlagen

Um eine unterbrechungsfreie Versorgung im kommenden Winter zu gewährleisten, schlägt die Kommission umfassende Risikobewertungen (Stresstests) vor. Diese sollen auf regionaler oder auf EU-Ebene stattfinden und eine Störung der Erdgasversorgung simulieren. Darauf aufbauend sollen Notfallpläne entwickelt und Sicherungsmechanismen eingeführt werden. Solche Mechanismen könnten unter eine Aufstockung der Gasvorräte, eine Senkung der Gasnachfrage durch die Umstellung auf andere Brennstoffe (insbesondere für Heizzwecke), die Entwicklung einer Notfall-Infrastruktur wie die Realisierung von Reverse-Flow-Möglichkeiten umfassen.

Die Vorschläge im Einzelnen:

  • Vollendung des Energiebinnenmarkts
  • Bau fehlender Infrastrukturverbindungen
  • Diversifizierung der Lieferländer und Versorgungswege
  • Verlässlichen Partner pflegen und neue gewinnen sowie neue Versorgungsrouten aufbauen
  • Stärkung von Notfall- und Solidaritätsmechanismen und Schutz kritischer Infrastrukturen
  • Erhöhung der einheimischen Energieproduktion
  • Ausbau der erneuerbaren Energien und die nachhaltige Gewinnung fossiler Brennstoffe
  • Verbesserte Koordinierung der nationalen Energiepolitiken und geschlossenes Auftreten in der externen Energiepolitik
  • Frühzeitige Beteiligung der Kommission bei entsprechenden zwischenstaatlichen Abkommen mit Drittstaaten
  • EU-Aufsicht, dass Vereinbarungen und Infrastrukturprojekte im Hoheitsgebiet der EU einschlägige EU-Vorschriften in vollem Umfang einhalten
  • Weiterentwicklung von Energietechnologien
  • Steigerung der Energieeffizienz – vor allem von Gebäuden.

Gabriel begrüßt Kommissionsvorschläge – Verbände kritisieren

Sigmar Gabriel – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Mit der Strategie zur Energieversorgungssicherheit kommt die Europäische Kommission einer Aufforderung durch die Staats- und Regierungschefs der EU vom März 2014 nach. Bundeswirtschaftsminister Gabriel begrüßte den Vorschlag, zeige er doch, dass Europa auf dem richtigen Kurs sei. „Kurzfristig sind die Möglichkeiten, Abhängigkeiten zu verringern, begrenzt. Aber die aktuelle Krise macht uns deutlich, dass wir den eingeschlagenen Weg der Diversifizierung und der Vollendung des europäischen Binnenmarktes konsequent weiter gehen sollten“. Das Kriseninstrumentariums müsse ausgestaltet sowie mittel- und langfristig die Energieversorgung Europas nachhaltig ausgestaltet werden. Gabriel: „Aus meiner Sicht muss Versorgungssicherheit Hand in Hand gehen mit der Klimaschutz- und Energiepolitik der Union für 2030. Wir müssen dies zusammen diskutieren, denn mehr Energieeffizienz und der weitere Ausbau Erneuerbarer Energien reduzieren nicht nur Treibhausgasemissionen, sondern verringern auch die Abhängigkeit von Importen fossiler Energieträger. Ich freue mich, dass die Kommission dies deutlich herausgestellt hat.“

Bundesverband Erneuerbare Energie: So schafft Oettinger keine sichere Energieversorgung

Der BEE ist unzufrieden mit Oettinger: Die Europäische Kommission vergebe die „große Chance, die Energieversorgung der EU in Richtung mehr Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit zu bringen“, kritisiert der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) die Strategie zur Energieversorgungssicherheit durch Oettinger. „Die Vorschläge beschränken sich auf die Absicherung der bestehenden fossilen Versorgung. Herr Oettinger macht den konventionellen Energieerzeugern ein Abschiedsgeschenk. Zukunftsweisende Ideen hat er dagegen nicht“, sagt BEE-Geschäftsführer Dr. Hermann Falk.

„Erneuerbare mit keinem Wort erwähnt“

Wenn die EU-Kommission das Ziel des Europäischen Rates erreichen wollte, unsere Energieversorgung unempfindlicher gegen Lieferengpässe und unabhängiger von Rohstoffimporten aus politisch unzuverlässigen Staaten zu machen, müsste sie viel stärker auf Erneuerbare Energien und eine Steigerung der Energieeffizienz setzen, fordert Falk. Es sei schon bemerkenswert, dass Oettinger in seinem ausführlichen Pressestatement die Erneuerbaren mit keinem Wort erwähnt habe.

„Oettinger für Fracking, Kohle und Atom“

Stattdessen unterstütze er die Nutzung des umweltschädlichen und nicht nachhaltigen Schiefergases, die weitere Verfeuerung von Kohle und die teure und gefährliche Atomkraft. „Die Atomenergie als Lösung für das Problem der Versorgungssicherheit darzustellen, ist eine unglaubliche Verzerrung der Wirklichkeit“, sagt Falk. Beim Roh-Uran liege die Importabhängigkeit der EU bei 98 Prozent. Mehr als 40 Prozent des importierten Urans kämen aus Russland und Kasachstan, fast 13 Prozent aus dem afrikanischen Staat Niger. „Erneuerbare Energien dagegen sind heimische Ressourcen, sie sind Europas Zukunft“, sagt der BEE-Geschäftsführer. „Wir fordern die Abgeordneten des Europäischen Parlaments und die Staats- und Regierungschefs auf, die Strategie zur Energieversorgungssicherheit noch grundlegend zu verändern.“
->Quelle(n): ec.europa.eu; bmwi.de/versorgungssicherheit; bmwi.de/europaeische-energiepolitik; europa.eu/press-release; ec.europa.eu/security_of_supply; bee-ev.de