Wissenschaft und öffentliche Akzeptanz

Beispiel künstliche Fotosynthese: Wie kommen neue Technologien frühzeitig in die öffentliche Diskussion?
Workshop in der Evangelischen Akademie in Tutzing

Natürliche Blätter – Pfefferminz – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Nach dem Vorbild der Pflanzen erforschen Wissenschaftler Verfahren, die Sonnenlicht in Energieträger oder Rohstoffe umwandeln und die Vision einer künstlichen Fotosynthese greifbar machen. Doch welche Methoden würden die Bürgerinnen und Bürger akzeptieren – und wie lässt sich die öffentliche Diskussion frühzeitig beginnen? Das ist das Thema eines Debating Workshops „Künstliche Fotosynthese“ am 10. – 12. Februar 2016 in der Evangelischen Akademie Tutzing. Dort stellt acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften eine Publikation über die frühzeitige Einbindung der Öffentlichkeit am Beispiel der künstlichen Fotosynthese vor.

Trotz erneuerbarer Energien sind wir noch immer von Erdöl, Kohle und Erdgas abhängig. Entstanden sind diese fossilen Brennstoffe über Jahrmillionen:  Pflanzen speicherten Sonnenenergie mittels Fotosynthese. Sonnenlicht ist die ultimative erneuerbare Ressource. Die Sonne spendet 15.000mal mehr Energie als die Menschheit verbraucht. Ein Stunde Sonnenlicht würde genügen, um den weltweiten Jahresbedarf an Energie zu decken. Warum also nicht einfach Mutter Natur kopieren und mittels Künstlicher Fotosynthese diese unermessliche Energiequelle nutzen?

Wollen wir neue Technologien?

Bis das im großen Stile funktioniert, ist noch viel Arbeit nötig. Forscher auf der ganzen Welt  versuchen derzeit, aus Kohlendioxid, Wasser und Licht Treibstoffe herzustellen. Grundbaustein der dabei entstehenden Treibstoffe ist CO2. Anders als bei fossiler Energie werden bei ihrer Verbrennung aber keine zusätzlichen CO2-Emissionen freigesetzt. Künstliche Fotosynthese kann aber auch komplexe Moleküle liefern für Chemierohstoffe, Lebensmittel und Futtermittel.

Mit neuen Technologien gehen aber auch immer Risiken einher. Wollen wir uns dieser Herausforderung stellen? Vermag Künstliche Fotosynthese einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel zu leisten? Bleibt die Technik reichen Staaten vorbehalten oder könnte auch arme Haushalte in Entwicklungsländern profitieren?

Technik gemeinsam gestalten - Titel - Bild © acatechEs ist ein Paradox: Technologien lassen sich im frühen Stadium gut an gesellschaftliche Ansprüche anpassen – werden aber dann noch wenig wahrgenommen und diskutiert. Eine Projektgruppe von acatech ist am Beispiel der künstlichen Fotosynthese der Frage nachgegangen, wie eine frühzeitige Einbindung der Öffentlichkeit gelingen kann. Innovative Formate für den frühzeitigen Dialog wurden gleich einem Praxistest unterzogen. In der nun veröffentlichten Publikation der Reihe „IMPULS“ beschreibt die Akademie Zukunftsszenarien der künstlichen Fotosynthese und dokumentiert Erfahrungen mit Dialogformaten.

Können es die Menschen den Pflanzen gleichtun?

Komplettes Modell des OEC im S2-Zustand des Kok-Zyklus, aufgebaut durch Kombination der Röntgen-Kristallstruktur von Guskov et al. [2] mit dem zweiten OEC-Kern in Abbildung 4. Die Geometrie des konstruierten Modells wurde mit DFT-Techniken optimiert. Die violetten, roten, blauen, grauweißen und grünen Farben zeigen die Position von jeweils Mn, O, N, C, H, und Ca-Atomen. Der Übersichtlichkeit halber wurde die Mehrheit der Wasserstoffatome entfernt. © Max-Planck-Institut für bioanorganische Chemie

Was Pflanzen seit vielen Milliarden Jahren können, versuchen Forscher derzeit nachzuahmen: Das Ziel der künstlichen Fotosynthese ist es, mittels Sonnenlicht Kraft- oder Rohstoffe aus Kohlendioxid und Wasser zu gewinnen. Forscher verfolgen dabei unterschiedliche, vielversprechende Ansätze. Algen könnten biotechnologisch so verändert werden, dass sie die begehrten Kohlenwasserstoffe freisetzen. Ein anderer Ansatz ist Umwandlung von Kohlendioxid mit Hilfe von Katalysatoren, wie sie in der Chemie eingesetzt werden. Noch ist nicht absehbar, welcher Ansatz sich durchsetzt. Mit alltagstauglichen, wirtschaftlichen Anwendungen rechnen Forscher frühestens in 20 bis 30 Jahren.

Nanotechnologie, Gentechnik, neue Materialien – wie reagiert die Bevölkerung?

Möglichst früh sollte jedoch die öffentliche Debatte geführt werden, ob beispielsweise der Einsatz von Gentechnik, Nanotechnologien oder  Schwermetallkatalysatoren von der Gesellschaft akzeptiert wird. Um die Szenarien der künstlichen Fotosynthese greifbar zu machen, entwickelte die Projektgruppe um  Alfred Pühler (Universität Bielefeld) und Armin Grunwald (Karlsruher Institut für Technologie, KIT) unterschiedliche Technikzukünfte. Die Projektgruppe sammelte internationale Expertisen zum Dialog über Technikzukünfte und experimentierte mit innovativen Wegen der Information und Diskussion. Denn für einen frühzeitigen Dialog müssen abstrakte Forschungsergebnisse in greifbare Geschichten gefasst werden – wenn etwa aus Mikroalgen grüne Zellfabriken oder Gebäudefassaden mit transparenten, organischen Solarzellen beschichtet werden. acatech hat im Zuge des Projekts unter anderem zu Science Cafés oder einem Comic-Workshop geladen. Der Wissenschaftsjournalist Peter C Goede erzählt auf youtube Technikzukünfte der künstlichen Fotosynthese mit den Mitteln des Story-Tellings.

Folgeprojekt: Forschungsbedarf – Künstliche Fotosynthese 2050

Ein gemeinsames Projekt der Wissenschaftsakademien widmet sich nun dem Stand der Forschung. Das Projekt „Künstliche Fotosynthese: Forschungsstand, wissenschaftlich-technische Herausforderungen und Technikzukünfte“ untersucht bestehende Forschungsansätze. Unter der Leitung des Chemikers Matthias Beller (Leibniz-Institut für Katalyse, Rostock) soll der konkrete Forschungsbedarf in Deutschland aufgezeigt werden, um bis zum Jahr 2050 konkrete Anwendungen der künstlichen Fotosynthese zu ermöglichen.

Über acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften

acatech logo kleinacatech vertritt die deutschen Technikwissenschaften im In- und Ausland in selbstbestimmter, unabhängiger und gemeinwohlorientierter Weise. Als Arbeitsakademie berät acatech Politik und Gesellschaft in technikwissenschaftlichen und technologiepolitischen Zukunftsfragen. Darüber hinaus hat es sich acatech zum Ziel gesetzt, den Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu unterstützen und den technikwissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Zu den Mitgliedern der Akademie zählen herausragende Wissenschaftler aus Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen. acatech finanziert sich durch eine institutionelle Förderung von Bund und Ländern sowie durch Spenden und projektbezogene Drittmittel. Um die Akzeptanz des technischen Fortschritts in Deutschland zu fördern und das Potenzial zukunftsweisender Technologien für Wirtschaft und Gesellschaft deutlich zu machen, veranstaltet acatech Symposien, Foren, Podiumsdiskussionen und Workshops. Mit Studien, Empfehlungen und Stellungnahmen wendet sich acatech an die Öffentlichkeit. acatech besteht aus drei Organen: Die Mitglieder der Akademie sind in der Mitgliederversammlung organisiert; das Präsidium, das von den Mitgliedern und Senatoren der Akademie bestimmt wird, lenkt die Arbeit; ein Senat mit namhaften Persönlichkeiten vor allem aus der Industrie, aus der Wissenschaft und aus der Politik berät acatech in Fragen der strategischen Ausrichtung und sorgt für den Austausch mit der Wirtschaft und anderen Wissenschaftsorganisationen in Deutschland. Die Geschäftsstelle von acatech befindet sich in München; zudem ist acatech mit einem Hauptstadtbüro in Berlin und einem Büro in Brüssel vertreten.

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